Was haben Verbraucherschlichtung und Rechtsschutzversicherung miteinander zu tun? Durch das aktuell im Referentenentwurf vorliegende Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) wird ein System der außergerichtlichen Verbraucherschlichtung geschaffen, das als zusätzliches Angebot neben die staatliche Ziviljustiz tritt. Rechtsschutzversicherer gelten neben den Rechtsanwälten gemeinhin als erste Anlaufstellen („Lotsen“) im Rechtsstreit. Weil ein erheblicher Teil der Versicherungsfälle in diesem Bereich Verbraucherkonflikte betrifft, stellt sich die Frage, ob die Versicherer die Verbraucherschlichtung systematisch implementieren und den Verbrauchern womöglich sogar nahelegen werden.
Schlichtungsklauseln nach gegenwärtiger Rechtslage zulässig
Nach dem Inkrafttreten der AS-Richtlinie der Europäischen Union wurde bisweilen die Forderung geäußert, der Gesetzgeber solle es Unternehmen durch Einführung eines neuen § 309 Nr. 14 BGB verbieten, Verbraucher durch Schlichtungsklauseln in ihren AGB dazu zu zwingen, vor Anrufung eines Gerichts eine Schlichtungsstelle mit ihrem Fall zu befassen. Freilich können nicht nur Unternehmer solche Schlichtungsklauseln verwenden. Nach gegenwärtiger Rechtslage ist es auch für Rechtsschutzversicherer möglich, Verbrauchern zunächst eine Beschwerde bei einer Schlichtungsstelle abzuverlangen, bevor sie bei Gericht Klage erheben. Zwar verpflichtet § 125 VVG die Versicherung, im Streitfall „die für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen“. Ist der Umfang der vereinbarten Leistungen allerdings von vornherein per Allgemeiner Rechtsschutzbedingungen (ARB) so definiert, dass einem Gerichtsverfahren eine Beschwerde bei einer Schlichtungsstelle vorzuschalten ist, so steht dieser Gestaltung § 125 VVG nicht entgegen.
§ 127a VVG könnte freie Verfahrenswahl sichern
An diesem Befund ändert auch das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2014 nichts (Az. 2-06 O 271/13, NJW 2014, 2204, Volltext, nicht rechtskräftig, Berufung anhängig beim OLG Frankfurt am Main, Az. 6 U 110/14). Das LG Frankfurt am Main hatte geurteilt, eine Rechtsschutzversicherung dürfe die Erstattung der gerichtlichen Kosten eines Rechtsstreits nicht davon abhängig machen, dass der Versicherungsnehmer zuvor an einer Mediation mit einem von ihr ausgewählten Mediator teilgenommen hat. Die Entscheidung betrifft allerdings nicht obligatorisch vorgeschaltete ADR-Verfahren, bei denen die Parteien den neutralen Dritten selbst ausgewählt haben. Eine Schlichtungsklausel in den ARB von Rechtsschutzversicherern wäre insofern durchaus zulässig, solange es den Verbrauchern gemäß § 127 VVG freisteht, anwaltlichen Rat einzuholen. Für die Versicherer könnten solche Klauseln mittel- und langfristig sehr attraktiv sein, weil sie damit Gerichtskosten sparen und Anwaltskosten reduzieren können. Wollte der Gesetzgeber dies ausschließen, sollte er mit Hilfe eines neue § 127a VVG die freie Verfahrenswahl der Versicherungsnehmer sicherstellen.
Update: Inzwischen liegt die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vor.
Verbraucherschlichtung und Rechtsschutzversicherung: Versicherer bisher zurückhaltend
Die Rechtsschutzversicherungen geben sich dennoch vorläufig zurückhaltend mit Blick auf die aktuelle Gesetzgebung zur Verbraucherschlichtung. In einer Umfrage unter ausgewählten Versicherern betonten diese zwar, die außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern, die Einführung von Schlichtungsklauseln sei allerdings bis auf Weiteres nicht geplant. Eine Arbeitsgruppe beim Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) werde sich womöglich in absehbarer Zeit mit den Folgen des VSBG für Rechtsschutzversicherer beschäftigen. Bis auf Weiteres liegt daher der Fokus vieler Versicherer daher offenbar auf der sog. Telefonmediation. Die damit verbundenen juristischen Fragen sind freilich auch nicht ohne Bedeutung, wickeln die Versicherer doch inzwischen in Summe jährlich eine fünfstellige Anzahl von Fällen über dieses Verfahren ab.
Update: In einem aktuellen Beitrag für das Anwaltsblatt (AnwBl 2015, 155) äußert Rechtsanwalt und Notar Eghard Teichmann die Überlegung, womöglich könnten Rechtsschutzversicherer sogar selbst als Schlichtungsstelle agieren, um Prozesskosten einzusparen.