Verbraucher und Telefonmediation

Die meisten Rechtsschutzversicherer bieten ihren Kunden heute eine Streitbeilegung durch Mediation an. Bisweilen übernehmen die Versicherungen die Kosten eines klassischen Mediators. Viel häufiger aber kommt es zum Einsatz eines so genannten Telefonmediators, der die Parteien dazu bringt, sich zu einigen.

Telefonmediation: Shuttle-Mediation aus dem Call-Center

Mit dem Begriff der Telefonmediation bezeichnen die Rechtsschutzversicherer ein telefonisches Vermittlungsverfahren, das ein von der Versicherung beauftragter Dienstleister in der Regel aus einem Call-Center heraus moderiert. Nach der Anfrage des Versicherungskunden führt der so genannte Telefonmediator abwechselnd Gespräche mit beiden Parteien und versucht dabei, sie zu einer Einigung zu bewegen. Das Verfahren ähnelt insofern dem US-amerikanischen Verständnis einer Mediation (sog. Caucussing), hat aber mit einer echten interessenorientierten Mediation nach europäischem und deutschem Verständnis wenig zu tun.

Die riskante Wette der Telefonmediatoren

Die von den Versicherungen oder ihren Vertragspartnern eingesetzten Telefonmediatoren sind in der Regel Rechtsanwälte. Das ist wichtig zu wissen, denn die Telefonmediatoren nutzen ihr juristisches Know-how, um bei beiden Parteien den Optimismus hinsichtlich ihrer juristischen Erfolgsaussichten zu dämpfen. Dazu bestehen vielfach gute Gründe, denn die meisten Menschen sind bei einer Einschätzung der Rechtslage überoptimistisch. Trotzdem ist die Tätigkeit der Telefonmediatoren rechtlich sehr heikel, genau genommen sogar unzulässig: Denn nach § 43a Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) dürfen Rechtsanwälte in einem Rechtsstreit nicht beide Widersacher gleichzeitig beraten. Rechtsanwälte, die als Telefonmediatoren agieren, riskieren durch den systematischen Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nicht nur eine Rüge der zuständigen Rechtsanwaltskammer, sondern auch anwaltsgerichtliche Maßnahmen nach § 114 BRAO. Und diese Maßnahmen sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: Das Anwaltsgericht kann je nach den Umständen des Einzelfalls Geldbußen bis zu € 25.000 verhängen, ein begrenztes Berufsverbot aussprechen oder den Betroffenen im Extremfall sogar aus der Rechtsanwaltschaft ausschließen.

Telefonmediation und Verbraucherinteressen

Ist aber die Telefonmediation nicht dennoch im Interesse der beteiligten Parteien – anwaltliches Berufsrecht hin oder her? Die KS/Auxilia als eine der Anbieterinnen von Telefonmediationen richtete sich zeitweilig mit gewinnenden Worten an ihre Kunden: „Sie müssen nicht direkt mit der Gegenseite sprechen! Sie müssen nirgends hin! Keine Wartezeiten vor Gerichtssälen und keine langwierigen, nervenaufreibenden Verhandlungen!“ – Genau das sind ja regelmäßig die Interessen der Verbraucher: Den emotional anstrengenden Kontakt mit dem Gegenüber vermeiden und den Zeitaufwand möglichst gering halten. Nur: Eine Einigung ist für Verbraucher kein Selbstzweck. Sie wollen nicht in einen Vergleich gelockt oder hineinargumentiert werden, damit der Versicherer Geld spart. Sie wollen wissen, ob sie es mit einem Rechtsanwalt zu tun haben, der für sie Partei ergreift, oder mit einem Vermittler, der nur den Konflikt bereinigen will (ähnlich auch die Kritik von Joachim Cornelius-Winkler in der NJW 2014, S. 588, 590). Wenn die Rechtsschutzversicherungen die Telefonmediationen weiterführen wollen, sollten sie daher sicherstellen, dass der Telefonmediator keine Einschätzung der Rechtslage äußert und dass die Kunden dies von ihm auch nicht erwarten. Eine Möglichkeit, diesem Ziel näher zu kommen, wäre die ausdrückliche Empfehlung der Versicherung, vor der Telefonmediation einen (eigenen) Rechtsanwalt zu konsultieren (siehe zur Bedeutung der Anwaltschaft für eine „sofortige, parteiisch einseitige, interessenkollisionsfreie Beratung“ Rudolf Lauda in seiner Anmerkung zum Urteil des LG Frankfurt am Main vom 7. Mai 2014, 2-06 O 271/13, NJW 2014, 2204, 2208 f., zur Folgeentscheidung des OLG Frankfurt siehe die Besprechung). Ebenso wäre zu erwägen, Nichtjuristen als Telefonmediatoren einzusetzen. Diese Maßnahmen würden womöglich die Einigungsquote der Telefonmediation absenken; dem Verbraucherschutz wäre damit aber gedient.