Am 16. Januar 2015 fand an der Humboldt-Universität zu Berlin eine Tagung zur Umsetzung der ADR-Richtlinie ins deutsche Recht statt. Unter der Leitung von Professor Dr. Gerhard Wagner und Professor Dr. Giesela Rühl diskutierten etwa 60 Teilnehmer verschiedene Aspekte des Referentenentwurfs für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Die Referate und Wortbeiträge lassen sich aufgrund der Fülle der erörterten Themen kaum erschöpfend zusammen fassen. Die wichtigsten Erkenntnisse der Konferenz seien aber im Folgenden kurz skizziert.
Sandwich Ziviljustiz?
In seiner Begrüßung fragte Professor Dr. Gerhard Wagner pointiert, ob der Zivilgerichtsbarkeit künftig eine Sandwichstellung zwischen der Schlichtung für Bagatellstreitigkeiten und der Schiedsgerichtsbarkeit für große Fälle drohe, so dass die Justiz künftig kaum mehr als Verkehrsunfälle verhandeln werde. Grund genug für Christoph Decker von der Europäischen Kommission, näher auf die Ziele der ADR-Richtlinie (in der deutschen Fassung als AS-Richtlinie bezeichnet) einzugehen. Decker zufolge will die EU mit ihrer Richtlinie die Durchsetzung von Verbraucherrechten verbessern, gleichzeitig sei die außergerichtliche Streitbeilegung aber auch für Unternehmer interessant, weil diese so wichtige Kundenbeziehungen aufrecht erhalten könnten. Im Anschluss an das Referat Deckers nahm Professor Dr. Reinhard Greger Stellung zum Zugang zur außergerichtlichen Streitbeilegung und zum Umfang der Bürokratie, die mit dem VSBG erforderlich werden wird. Er sprach sich dabei für eine Bündelung der Streitbeilegungsstellen innerhalb der verschiedenen Branchen aus.
Obligatorische Streitbeilegung? Ja, aber…
Der folgende Beitrag von Professor Dr. Horst Eidenmüller beschäftigte sich mit der Freiwilligkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung. Eidenmüller zufolge muss die Teilnahme an einem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren durchaus nicht freiwillig sein; das fordere weder das Gesetz noch die Rechtsprechung, und auch die Parteien zeigten sich in empirischen Untersuchungen durchaus mit dem Ergebnis eines obligatorischen ADR-Verfahrens zufrieden. Ob ihnen ein ADR-Verfahren vorgeschrieben werden sollte, sei freilich eine Frage des Einzelfalls, die sich kaum abstrakt-generell regeln lasse. Auch vor Schlichtungsklauseln müsse man Verbraucher schützen, da sie sonst ohne eigenes Zutun den Schutz verlören, den ihnen der Gesetzgeber durch das zwingende Verbraucherrecht gerade angedeihen lassen wolle. Zwar sei die Anwendung zwingenden Rechts durchaus ex post verhandelbar (so der Einwand von Professor Dr. Felix Maultzsch), allerdings sei die alternative Streitbeilegung verfahrenstypologisch nicht zur Durchsetzung von Verbraucherrechten geeignet.
Schlichtungsfalle oder Schlichtungschance?
Im ersten Referat am Nachmittag erläuterte Professor Dr. Astrid Stadler die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Streitmittlers und die Ausgestaltung des Schlichtungsverfahrens nach dem RefE VSBG. Sie skizzierte die vorgesehenen verfahrensrechtlichen Mindeststandards und wies darauf hin, dass bei einem rein schriftlichen Verfahren die Öffentlichkeit als Kontrollinstanz wegfalle. Die größte Herausforderung bei der Umsetzung der ADR-Richtlinie bestehe aber darin, unparteiliche und neutrale Schlichter zu gewinnen. Nach dem Referat Stadlers folgte ein Beitrag von Professor Dr. Beate Gsell zur Qualifikation des Streitmittlers und zur Rechtstreue des Verfahrensergebnisses. Während Christoph Decker morgens noch darauf hingewiesen hatte, dass die ADR-Richtlinie auch der Rechtsdurchsetzung diene, stellte Gsell heraus, dass die primäre Zielrichtung der Richtlinie gerade nicht die Rechtsdurchsetzung, sondern eine einfach zugängliche Streitbeilegung sei. Was die Qualifikation der Schlichter angehe, sprach sich Gsell dafür aus, diese davon abhängig zu machen, ob die Schlichtungsstelle ihre Entscheidung am geltenden Recht orientieren wolle. Sei dies der Fall, sei eine umfassende juristische Qualifikation erforderlich, andernfalls genügten Grundkenntnisse des Verbrauchervertragsrechts. Jedenfalls aber müsse man den Parteien vor Beginn des Verfahrens klipp und klar sagen, woran sich der Schlichterspruch orientiere. Die Tagung schloss mit einem Beitrag von Professor Dr. Jens Kleinschmidt zum Verhältnis der Verbraucherschlichtung zu Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit und mit einer Erläuterung des Referentenentwurfs zum Verbraucherstreitbeilegungsgesetz durch Ulrike Kjestina Janzen vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Janzen betonte, das VSBG sei keine Schlichtungsfalle, sondern neuer, wirksamer Verbraucherschutz, der die Ziviljustiz nicht verdrängen, sondern zum Wohle der Verbraucher ergänzen werde.