Das OLG Frankfurt hat in einem Urteil vom 9. April 2015, 6 U 110/14 (Volltext, WRP 2015, 755, ZKM 2015, 95, rechtskräftig seit BGH v. 14. Januar 2016, I ZR 98/15) zum sog. Zwangsmediationsversuch einer Rechtsschutzversicherung Stellung genommen. Die beklagte Rechtsschutzversicherung hatte in ihrem Tarif M-Aktiv die Inanspruchnahme von Rechtsschutzdienstleistungen und insbesondere die Übernahe anwaltlicher Beratungskosten davon abhängig gemacht, dass die Versicherungsnehmer zuvor versucht hatten, die Streitigkeit mit Hilfe einer Telefonmediation beizulegen.
Telefonmediation: Zwangsweise Vorschaltung unzulässig
Der Entscheidung des OLG Frankfurt lag ein Fall zugrunde, in dem eine Rechtsschutzversicherung ihren Kunden einen speziellen Mediationstarif angeboten hatte. Dieser Tarif sah vor, dass Versicherungsnehmer im Streitfall die Kosten einer anwaltlichen Beratung nur dann erstattet bekommen, wenn sie zuvor einen Mediationsversuch – in der Regel im Wege einer Telefonmediation – unternommen haben. Dieser Tarif verzögerte also die Übernahme von Rechtsverfolgungskosten, war aber gleichzeitig auch erheblich günstiger als andere Rechtsschutzpolicen.
Das OLG Frankfurt stellte nun klar, dass dieser Preisvorteil grundsätzlich im Sinne des Kunden sei. Problematisch werde es aber dann, wenn die Einzelheiten des Tarifs, insbesondere die Einschränkung bei der Übernahme der Anwaltskosten, für die Kunden bei der Wahl der Police nicht durchschaubar seien. Genau dies sei im vorliegenden Fall anzunehmen: Entgegen § 307 Abs. 1 BGB benachteilige es Versicherungsnehmer unangemessen, wenn die Bedingungen ihrer Rechtsschutzversicherung den in § 125 VVG vorgesehenen Kostenersatz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen von einem vorgehenden einvernehmlichen Streitbeilegungsversuch abhängig machten. Das gelte umso mehr, als die Telefonmediation zwischen nicht anwaltlich beratenen Parteien kein Verfahren der Rechtsverfolgung darstelle:
Die Mediation als eine Form der alternativen Streitbeilegung hat zweifellos nicht nur ihre Berechtigung, sondern weist auch Vorzüge gegenüber der an rechtlichen Kategorien orientierten Konfliktlösung auf. Sie kann aber im hier interessierenden Zusammenhang durchaus gefährlich sein, wenn der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung vor der Mediation zuvor keine realistische Einschätzung der rechtlichen Situation erhalten hat. Denn nur auf der Grundlage einer solchen rechtlichen Einschätzung lässt sich sinnvoll eine Entscheidung darüber treffen, ob und mit welchem Ergebnis eine Mediation angebracht erscheint, oder ob die Durchsetzung der eigenen Position mit rechtlichen Mitteln nicht doch der bessere Weg ist. Begibt sich der Versicherungsnehmer ohne jede fundierte Einschätzung der Rechtslage in ein Mediationsverfahren, besteht nämlich die greifbare Gefahr, dass er – nur um der einvernehmlichen Regelung willen – möglicherweise auf Ansprüche oder Positionen verzichtet, die ihm nach der insoweit klaren Rechtslage zustehen und die auch ohne weiteres (mit Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung) durchzusetzen gewesen wären.
Und weiter:
Gerade wenn die Übernahme von Anwaltskosten durch die Rechtsschutzversicherung von einem vorgeschalteten Streitbeilegungsverfahren abhängig gemacht wird, geht der Versicherungsnehmer im Zweifel davon aus, dass ihm auf diese Weise insoweit ebenfalls eine Art rechtlicher Beratung zu Teil wird, als der eingeschaltete Streitmittler die Rechtslage jedenfalls prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung bei seinen Vergleichsvorschlägen im Blick behalten wird. Dies kann und soll ein Mediator jedoch – im Gegensatz etwa zu einer Schlichtungsstelle – wie ausgeführt gerade nicht leisten.
Darf Telefonmediation als Mediation bezeichnet werden?
Eine weitere Facette des vom OLG Frankfurt entschiedenen Falles betrifft die Frage, ob ein Rechtsschutzversicherer von einer „Mediation“ im Sinne des § 1 Abs. 1 MediationsG sprechen darf, wenn er den Parteien die Nutzung des Verfahrens vorschreibt und den Mediator selbst auswählt. Die klagende Rechtsanwaltskammer hatte hierin einen Verstoß gegen die Freiwilligkeit des Verfahrens nach § 1 Abs. 1 MediationsG und gegen die freie Auswahl des Mediators nach § 2 Abs. 1 MediationsG gesehen. Während das LG Frankfurt als Vorinstanz in seinem Urteil vom 7. Mai 2014, 2-06 O 271/13 diese Rechtsauffassung geteilt hatte, verwies das OLG Frankfurt nun darauf, dass sich die Versicherungsnehmer freiwillig für den Mediationstarif entschieden hätten, so dass das Freiwilligkeitsprinzip nicht verletzt sein könne. Aber auch die Auswahl des Mediators durch den Versicherer begegne keinen Bedenken, denn § 2 Abs. 1 MediationsG stelle eine reine Verfahrensvorschrift dar, und zudem würden die Parteien der Auswahl des Mediators durch die Zustimmung zum Mediationsversuch ja noch zustimmen (kritisch zum letzteren Argument Engel, in: Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 10 Rn. 52).
Wie neutral sind Telefonmediatoren?
Einen weiteren Aspekt, der gegen eine Bezeichnung der Telefonmediation als „Mediation“ spricht, ließ das OLG Frankfurt unberücksichtigt, weil er offenbar von Seiten der Klägerin nicht vorgetragen wurde: Nach § 3 Abs. 1 MediationsG darf ein Vermittler, dessen Unabhängigkeit oder Neutralität zweifelhaft ist, nur dann als Mediator tätig werden, wenn er den Parteien die insoweit problematischen Umstände offenlegt und die Zustimmung der Parteien einholt. Bei einer Telefonmediation des aktuell gängigen Formats haben die in der Regel pauschal pro Fall vergüteten Telefonmediatoren ein erhebliches Eigeninteresse an einer schnellen Einigung unter Vernachlässigung der Rechte und Interessen der Parteien. Indem sie dieses Eigeninteresse verschweigen, verstoßen sie gegen das Tätigkeitsverbot des § 3 Abs. 1 S. 2 MediationsG. Dieser Rechtsverstoß dürfte zwar noch nicht zwingend dazu führen, dass das Verfahren den Mediationscharakter verliert, allerdings spricht viel dafür, dass eine Telefonmediation des üblichen Formats nicht mehr das „strukturierte Verfahren“ sind, von dem in § 1 Abs. 1 MediationsG die Rede ist.