Jonas Kotzur: Grenzüberschreitende Verbraucherschlichtung

Im Frühjahr 2018 ist die Dissertation des Stuttgarter Rechtsanwalts Jonas Kotzur  zur außergerichtlichen Realisierung grenzüberschreitender Verbraucherforderungen erschienen.

Was tun, wenn der Händler im Ausland sitzt?

Kotzur beschäftigt sich in seiner Arbeit mit der Kern-Motivation der Europäischen Union zum Erlass der ADR-Richtlinie und der ODR-Verordnung. Es geht darum, das Vertrauen in die ordnungsgemäße Abwicklung grenzüberschreitender Verträge und damit indirekt auch den europäischen Binnenmarkt zu stärken. Kunden sollen eine realistisch nutzbare Möglichkeit haben, ihre Rechte auch dann effektiv durchzusetzen, wenn der Händler im Ausland sitzt. Das ist einfacher gesagt als getan. Denn schon bei reinen Inlandssachverhalten sind Verbraucher regelmäßig sehr zurückhaltend bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Wird nun ein Vertrag über die Grenze geschlossen, kommen zusätzliche Hürden wie die große Distanz und die häufig unterschiedliche Sprache der Beteiligten hinzu.

Häufig nur ausländische Schlichtungsstellen zuständig

Vor dem Hintergrund dieser kniffligen Ausgangssituation stellt Kotzur zunächst fest, dass die Verbraucherschlichtung als solche für die Bewältigung von Verbraucherstreitigkeiten hervorragend geeignet ist. Gleichzeitig sieht er vor allem im grenzüberschreitenden Bereich noch erhebliche Schwierigkeiten, die Verbraucher heute davon abhalten, die Schlichtungsverfahren auch wirklich zu nutzen. Einen besonderen Schwerpunkt legt Kotzur hier mit guten Gründen auf einen Vergleich zum Klageverfahren. Hier statuiert Art. 18 Abs. 1 der Brüssel-Ia-Verordnung einen speziellen Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers. Verbraucher müssen also Unternehmer nicht an deren Geschäftssitz verklagen, sondern können – in den Grenzen des Anwendungsbereichs nach Art. 17 der Brüssel-Ia-Verordnung – das Gericht an ihrem Wohnort anrufen. Im Recht der Verbraucherstreitbeilegung fehlt eine entsprechende Vorschrift. Und die Verbraucherschlichtungsstellen beschäftigen sich auch selten von sich aus mit grenzüberschreitenden Streitigkeiten, weil sie meist von nationalen Branchenverbänden getragen werden. Verbraucher müssen daher ausländische Schlichtungsstellen anrufen, um grenzüberschreitende Forderungen durchzusetzen.

„Verbraucherschlichtungsstand“ analog Art. 18 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO?

Mit Blick auf diese Zugangsschwelle empfiehlt Kotzur, zumindest bei der Auffangschlichtungsstelle auch eine Zuständigkeit für Streitigkeiten inländischer Verbraucher mit ausländischen Händlern zu schaffen. Bisher können Verbraucher beim Zentrum für Schlichtung als der bundesweiten Auffangschlichtungsstelle gemäß § 1.3 seiner Verfahrensordnung nur Beschwerden gegen Unternehmer mit Niederlassung im Inland erheben. Würde man diese Zuständigkeit ausweiten, könnte es Kotzur zufolge deutlich attraktiver werden, Konflikte mit ausländischen Unternehmern schlichten zu lassen. Ergänzend dazu sei ein europäisches Gütesiegel für die national zertifizierten Streitbeilegungsstellen sinnvoll, um Verbrauchern einen besseren Überblick über die Schlichtungsmöglichkeiten zu geben. Im Idealfall könnte sich die Verbraucherschlichtung nach Kotzur so womöglich auch im Bereich des E-Commerce durchsetzen.

Die Arbeit von Jonas Kotzur ist im Online-Buchhandel zum Preis von 99 € erhältlich.