Eine Tagung der Forschungsstelle für Verbraucherrecht an der Universität Bayreuth im März 2015 diskutierte Fragen rund um die Verbraucherschlichtung nach der AS-Richtlinie der Europäischen Union, die im Laufe der aktuellen Legislaturperiode durch ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) umgesetzt werden soll. Aus der Vielzahl der erörterten Themen seien im Folgenden drei Punkte herausgegriffen, die bisher in der Diskussion noch wenig akzentuiert wurden.
Können Gerichte Schlichtungsvergleiche aufheben?
Eine kontroverse Erörtertung betraf die Frage, inwieweit ein von den Streitparteien angenommener Schlichtervorschlag noch gerichtlich überprüft werden könnte, wenn etwa der Verbraucher im Nachhinein mit der vereinbarten Lösung unzufrieden sein sollte. Der Gastgeber der Konferenz, Professor Dr. Martin Schmidt-Kessel, verwies dazu auf den europäischen Effektivitätsgrundsatz, wonach eine Einigung auf den Vorschlag des Schlichters bindend sein müsse. Das gelte gerade auch dann, wenn der Schlichterspruch hinter dem Verbraucherschutzrecht zurückbleibe, denn ohne ein gerichtsfestes Ergebnis sei das System der Verbraucherschlichtung wenig effektiv. Darauf entgegneten die Professoren Dr. Caroline Meller-Hannich und Dr. Christoph Althammer, die Bindung der in der Schlichtung erzielten Einigung dürfe nicht mehr Bestand haben, wenn der Verbraucher vor Gericht gehe und seine zwingenden Verbraucherrechte einklage. Später ergänzte Professor Dr. Hanns Prütting, ein dem Schlichterspruch folgender Vergleich erwachse sicherlich nicht in Rechtskraft, sei aber als materiell-rechtlicher Vergleich nach § 779 BGB wirksam und – einen vollstreckbaren Inhalt vorausgesetzt – wohl auch nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vollstreckbar. Gleichwohl bleibe es möglich, den Vergleich gerichtlich nach den §§ 134, 138 BGB für nichtig erklären zu lassen.
Schlichtung bei ungeklärter Rechtslage?
Ebenfalls engagiert diskutiert wurde die Frage, wie sich eine Schlichtungsstelle verhalten sollte, wenn sich herausstellt, dass einer Streitigkeit eine ungeklärte Rechtslage zugrunde liegt. In ihrem Referat verwies Dr. Susanne Gössl hierzu auf Art. 5 Abs. 4 der AS-Richtlinie, der nicht zulasse, dass eine Schlichtung nur deswegen abgelehnt werde, weil für eine rechtliche Beurteilung des Falls eine noch nicht entschiedene Rechtsfrage beantwortet werden müsse. Eine Ablehnung der Schlichtung in solchen Fällen sei in der Tat auch nicht sinnvoll, denn gerade rechtliche Unsicherheit eröffne doch einen Spielraum für eine konsensuale Konfliktlösung. Überdies sei auch der Zivilprozess nicht darauf ausgerichtet, grundsätzliche Rechtsfragen zu klären, sei richterliche Rechtsfindung doch nur in den Grenzen der Verfahrensherrschaft der Parteien möglich. Dem widersprach Professor Althammer unter Hinweis darauf, dass die Rechtsfortbildung sehr wohl das Endprodukt des Zivilprozesses sei; das zeige nicht zuletzt der heutige Zuschnitt der Revisionszulassungsgründe. Professor Schmidt-Kessel ergänzte vermittelnd, sachgerechter als eine Ablehnung der Schlichtung sei in rechtlich unklaren Fällen ohnehin die Annahme des Falls verbunden mit einem expliziten Hinweis auf die offenen Rechtsfragen.
Wer soll die Schlichtung finanzieren?
Ein dritter Diskussionsschwerpunkt der Tagung betraf die Finanzierung der Schlichtungsstellen. Felix Braun vom Projekt Online-Schlichter berichtete über erhebliche Schwierigkeiten, nicht-öffentliche Geldgeber zur Finanzierung der Schlichtungstätigkeit zu gewinnen. Gegenwärtig operiere der Online-Schlichter mit einem Budget von gut 80 € pro Fall, realistisch seien aber eher etwa 150 € pro Fall. Während diese Kosten beim Online-Schlichter von dessen Förderern getragen werden, bürden die meisten Schlichtungsstellen dem Unternehmer eine Kostenpauschale auf. Diese wiederum dürfe nicht zu hoch sein, erläuterte Professor Schmidt-Kessel, denn das europarechtliche Effektivitätsprinzip verlange einen faktischen Zugang zur Schlichtung auch für Unternehmer, und das Äquivalenzprinzip erfordere eine Vergleichbarkeit mit den – aktuell deutlich günstigeren – Gebührensätzen nach dem GKG (vgl. auch den Beitrag zum Streit über die Fallpauschalen der Schlichtungsstelle Energie). Die Mitgliedstaaten kämen insofern nicht darum herum, die Schlichtungstätigkeit mitzufinanzieren. Das liege durchaus auch im öffentlichen Interesse, denn neben Rechtsfortbildung und Rechtssicherheit sei gerade auch der Rechtsfrieden für die Allgemeinheit von großer Bedeutung.