Die Europäische Kommission hat ein EU-Justizbarometer 2015 veröffentlicht (2015 EU Justice Scoreboard, COM(2015) 116 final, pdf). Der EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Vĕra Jourová, zufolge soll das EU-Justizbarometer einen Überblick über Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in den 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union geben.
EU-Justizbarometer als Anstoß zum gegenseitigen Lernen
Nach den Bekundungen der Kommission soll das EU-Justizbarometer einen Vergleich zwischen den Justizsystemen der Mitgliedstaaten schaffen und diese dazu ermutigen, bei anstehenden Reformen voneinander zu lernen. Vor diesem Hintergrund will die Kommission einen Vergleich der Rechtspraxis ermöglichen und dadurch prozessrechtliche Gesetzgebungsprojekte auf der Ebene der Mitgliedstaaten effektiver machen. Da die EU selbst durch die Beschränkung des Art. 81 AEUV kaum eine Handhabe zum Einfluss auf die mitgliedstaatlichen Prozessrechte hat, versucht sie die bisweilen als träge empfundenen nationalen Gesetzgeber zu einem Wettbewerb um bessere Justizsysteme zu animieren.
Bewertungsmaßstäbe für Justizeffizienz und Justizqualität
Naturgemäß steht und fällt die Autorität eines Gradmessers wie des EU-Justizbarometers mit der Definition der eingesetzten Bewertungsmaßstäbe. Die Kommission unterscheidet hier zwischen Kriterien der Effizienz, der Qualität und der Unabhängigkeit. Diese Dreiteilung erscheint wenig glücklich, denn eine umfassende Effizienzbetrachtung müsste auch Qualität und eine gründliche Qualitätsbetrachtung auch die Unabhängigkeit der Gerichte mit einbeziehen. Abgesehen von diesen definitorischen Schwierigkeiten erkennt die Kommission durchaus nachvollziehbar die Verfahrensdauer und die Erledigungsrate als Effizienztreiber in der Justiz. Für die Qualität der Gerichtssysteme bedeutsam hält die Kommission die Existenz von Kontrollmechanismen, die Nutzung moderner Kommunikationstechnologie, den Umfang der Öffentlichkeitsarbeit, die Richterfortbildung, die Justizfinanzierung und den Frauenanteil in der Justiz. Ebenfalls zu den Qualitätskriterien zählt die Kommission die Nutzung von außergerichtlicher Streitbeilegung; überzeugender erscheint hier indes, den Rückgriff auf Methoden der alternativen Streitbeilegung allenfalls als bloßen Indikator für die Effizienz der mitgliedstaatlichen Justizsysteme zu sehen. Eine ganze Reihe weiterer denkbarer Qualitätskriterien für Justizsysteme (Richtervergütung, Verfahrenskosten, gesetzlicher Richter u.v.m.) bleiben vom EU-Justizbarometer unberücksichtigt; allerdings war es womöglich auch nicht das Ziel der Kommission, sämtliche denkbaren Bewertungsmaßstäbe erschöpfend auszuleuchten. Das Justizbarometer dürfte zunächst als bloße Informationsquelle der Kommission dienen, könnte aber gerade in kleinen Mitgliedstaaten mit anstehenden Reformen der Prozessrechte eine gewisse Anstoßwirkung entfalten.