Fallpauschalen der Schlichtungsstelle Energie

Das Landgericht Berlin hat auf die Klage eines Energieversorgers hin die Fallpauschalen überprüft, welche die Schlichtungsstelle Energie den fallbetroffenen Energieunternehmen in Rechnung stellt (Urteil vom 13. Januar 2014, Az. 93 O 114/12, Volltext pdf). Die für das Jahr 2012 geltende Kostenordnung ließ das Landgericht unbeanstandet, die Gebührenerhöhung 2013 zog es hingegen in Zweifel.

Weiter Prognosespielraum für die Schlichtungsstelle

Nach § 111b Abs. 6 EnWG kann die Schlichtungsstelle von den an Schlichtungsverfahren beteiligten Unternehmen ein Entgelt erheben, dessen Höhe aber im Verhältnis zum Aufwand der Schlichtungsstelle angemessen sein muss. Bei der Festsetzung der Gebühren gesteht das Landgericht der Schlichtungsstelle grundsätzlich einen weiten Einschätzungsspielraum zu. Sie darf bei schwer prognostizierbarem Fallvolumen aus Vorsicht zunächst von einer niedrigen Fallzahl ausgehen und sie kann mit einpreisen, dass manche Gebührenzahlungen erst verzögert erfolgen oder sogar ganz ausfallen (so etwa bei der Insolvenz des Energieversorgers, zum Fall Flexstrom siehe den Beitrag im Handelsblatt). Die Entgelte dürfen zu denjenigen eines vergleichbaren Gerichtsverfahrens nicht völlig außer Verhältnis stehen, allerdings stellen diese Beträge auch keine Obergrenze für die Gebühren der Schlichtungsstelle dar. Vor diesem Hintergrund sah das Landgericht keinen Grund zur Beanstandung der in der Kostenordnung 2011 der Schlichtungsstelle festgesetzten Entgelte.

Gebührenerhöhung 2013 nicht nachvollziehbar

Das Landgericht Berlin hat der Schlichtungsstelle Energie allerdings keinen Freibrief für die künftige Gebührenbemessung ausgestellt. Auch der von § 111b Abs. 6 S. 3 EnWG eröffnete Prognosespielraum hat Grenzen: Wenn die Schlichtungsstelle über mehrere Jahre hin Überschüsse erwirtschaftet und dadurch eine Rücklage aufbaut, so ist diese durch eine entsprechende Anpassung der Entgelte aufzulösen – auch wenn die Schlichtungsstelle nicht gemeinnützig ist, unterliegt sie danach einem weitgehenden Rücklagenverbot ähnlich § 62 AO. An der Einhaltung dieser Grenzen bei der Gebührenerhöhung der Schlichtungsstelle zum 1. Juli 2013 hat das Landgericht ausdrücklich gezweifelt: Die Behauptung der Schlichtungsstelle, seit Beginn ihrer Tätigkeit im Oktober 2011 seien ihre Einnahmen durchgängig nicht kostendeckend gewesen und sie habe die Gebühren daher erhöhen müssen, sei mit ihrem eigenen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2012 „nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen“. Wenn man davon ausgeht, dass die Schlichtungsstelle insoweit alle für sie günstigen Tatsachen vorgetragen hat, ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, dass sie einer Feststellung der Unangemessenheit ihrer Gebührenerhöhung 2013 nur dadurch entgehen konnte, dass der im konkreten Verfahren streitgegenständliche Fall nicht von dieser Gebührenerhöhung betroffen war. Die von der Schlichtungsstelle per Pressemitteilung (pdf) verbreitete Aussage, das Landgericht Berlin habe ihre Fallpauschalen bestätigt, ist danach zumindest irreführend, weil das Landgericht an der Kalkulation der Pauschalen ab Mitte 2013 erhebliche Zweifel geäußert hat.

Einseitige Finanzierung als „Grundproblem“

Bemerkenswert ist auch eine weitere Einschätzung des Landgerichts: Es sei ein in § 111b Abs. 6 EnWG angelegtes „Grundproblem“ der Schlichtungsgebühren, dass diese einseitig dem beteiligten Unternehmen zur Last fielen. Es mangele insofern an einem Anreiz für die Schlichtungsstellen, ihre Kosten gering zu halten. Tatsächlich hat die Schlichtungsstelle Energie nach § 111b Abs. 3 EnWG eine Monopolstellung, weil nur eine einzige solche Einrichtung vom Bundeswirtschaftsministerium anerkannt werden kann. Sie darf zwar mittel- und langfristig keine Gewinne erwirtschaften, aber eine übermäßige Erzeugung von Kosten ist juristisch kaum überprüfbar, solange § 111b Abs. 6 S. 3 EnWG nicht vom „erforderlichen Aufwand“, sondern nur vom (tatsächlichen) „Aufwand“ spricht, der in die Angemessenheitsprüfung der Entgelte mit einfließt.

Fehlanreiz auch für Verbraucher

Das Landgericht fügt hinzu, dass abseits des Verfahrensmissbrauchs auch für Verbraucher jeglicher Anreiz fehle, von der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens abzusehen. Damit bleibt die – auch bei anderen kostenlosen Verfahren wie demjenigen vor dem Versicherungsombudsmann oder dem staatlich geförderten Online-Schlichter bestehende – Gefahr, dass Verbraucher die Schlichtungsverfahren als kostenlose Testverfahren nutzen. Aus anwaltlicher Sicht wäre einem Verbraucher gerade bei schwachen Erfolgsaussichten sogar zur Nutzung dieser Verfahren zu raten, denn auch bei geringen Erfolgsaussichten besteht eine gewisse Erfolgschance, die zu verfolgen man Verbrauchern wohl nicht mit dem Argument des Verfahrensmissbrauchs verwehren darf (siehe dazu auch Engel, AnwBl 2013, 478, 482).