VuR-Sonderheft zur Verbraucherschlichtung

Die Zeitschrift Verbraucher und Recht (VuR) hat dem Thema Verbraucherstreitbeilegung im Frühjahr 2016 ein eigenes Sonderheft gewidmet. Darin finden sich zehn unterschiedliche Perspektiven auf die Verbraucherschlichtung nach dem neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz. Ein näherer Blick auf zwei der Beiträge aus dem VuR-Sonderheft.

Röthemeyer: Verbraucherschlichtung als Homöopathie

Peter Röthemeyer, Leitender Ministerialrat im Niedersächsischen Justizministerium, vergleicht die Verfahren nach dem VSBG und der ZPO miteinander. Er beschreibt die Ziviljustiz bildlich als die Schulmedizin der Konfliktlösung und die Verbraucherschlichtung demgegenüber als einen neuen, homöopathischen Ansatz. Was die örtliche Zuständigkeit der anzurufenden Institution anbelangt, sieht Röthemeyer zumindest in grenzüberschreitenden Streitigkeiten die Ziviljustiz als das verbrauchergerechtere Verfahren an (ähnlich das Fazit von Georg Höxter in seinem Beitrag zum VuR-Sonderheft, s.u.). Hinsichtlich der Verfahrenskosten sei hingegen zumindest für nicht-rechtsschutzversicherte Verbraucher die Schlichtung günstiger. Ein entscheidender Unterschied zwischen beiden Verfahren bestehe darin, dass die Schlichtung nicht auf ein rechtstreues Ergebnis, sondern auf einen Einigungsvorschlag im Lichte einer Prozessprognose ziele. Gleichzeitig warte die Justiz auch nicht immer mit Rechtsanwendung in Idealform auf. Insofern sei es „latent unredlich“, die Schlichtung gegenüber der Justiz als strukturell nachteilhaft anzusehen. Vielmehr votiert Röthemeyer dafür, ein abgestimmtes Gesamtsystem anzusteuern, in dem beide Verfahren ihren Platz haben.

Halfmeier: Verbraucherverbände sollten sich nicht an der Verbraucherschlichtung beteiligen

Deutlich kritischer klingt das Resümee des Lüneburger Professors Dr. Axel Halfmeier. Er weist zunächst darauf hin, dass die Rechtsgrundlage der europäischen ADR-Richtlinie sehr zweifelhaft sei und der deutsche Gesetzgeber es insoweit durchaus auf ein Vertragsverletzungsverfahren hätte ankommen lassen können. Abseits dessen sieht Halfmeier ein zentrales Problem der Verbraucherschlichtung darin, dass sie für Unternehmer keinen Anreiz zu rechtstreuem Verhalten, vielmehr sogar verstärkte Anreize zum Rechtsbruch setze. Insbesondere die im VSBG vorgesehenen Veröffentlichungspflichten der Schlichtungsstellen seien ungenügend, weil die Tätigkeitsberichte nach § 34 Abs. 1 und 3 VSBG nur eine pauschale Nennung ohnehin auffälliger problematischer Geschäftspraktiken enthalten müssten. Und selbst gegen diese zurückhaltenden Publizitätspflichten habe sich die Schlichtungspraxis noch lange gewehrt, so etwa die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (soep) in ihrem Jahresbericht 2014 (S. 2) (wesentlich positiver zur Vertraulichkeit in der Verbraucherschlichtung demgegenüber der Beitrag von Dr. Christof Berlin im VuR-Sonderheft, s.u.). Vor diesem Hintergrund prognostiziert Halfmeier, die Verbraucherschlichtung werde zu einem weiteren Schwund der Zivilprozesse beitragen; effektive Kollektivverfahren seien notwendig, um die Durchsetzung materieller Verbraucherrechte zu sichern. Verbraucherverbänden rät Halfmeier mit Blick auf ihre knappen Ressourcen dezidiert davon ab, sich an Verbraucherschlichtungsverfahren zu beteiligen.

Alle Beiträge im VuR-Sonderheft

Neben den Beiträgen von Röthemeyer und Halfmeier finden sich in dem VuR-Sonderheft auch noch viele andere interessante Erörterungen. Die Beiträge im Einzelnen:

  • Ulrike Janzen: Die neuen Regelungen zur Streitbeilegung in Verbrauchersachen – vom Entwurf zum Gesetz
  • Peter Röthemeyer: Verfahren nach VSBG und ZPO im Vergleich
  • Axel Halfmeier: Das VSBG verstärkt die Anreize zum Rechtsbruch
  • Franziska Weber: Zum unionsrechtlichen Hintergrund des VSBG
  • Georg Höxter: Das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz im Kontext grenzüberschreitender Streitigkeiten
  • Felix Braun und Patrick Oppelt: Die Bedeutung von ODR für die Verbraucherschlichtung
  • Christof Berlin: Transparenz und Vertraulichkeit im Schlichtungsverfahren – Zur Frage der Veröffentlichung von Verfahrensergebnissen
  • Jörn Steike: Unabhängigkeit von Streitbeilegungsstellen trotz Finanzierung durch die Anbieterseite?
  • Sascha Borowski: Das Verbraucherstreitbeilegungsverfahren aus Sicht des Antragstellers
  • Marina Tamm: Das VSBG – ein mutiger Schritt in die Zukunft der Verbraucherstreitbeilegung? – Zur Kritik des VSBG aus verbraucherpolitischer Sicht

Das VuR-Sonderheft ist online über den beck-shop zum Preis von 24 € bestellbar.