Verbraucherschlichtung: Neue Konkurrenz für die Anwaltschaft?

Ist die Verbraucherschlichtung eine Konkurrenz für die Anwaltschaft? Im Interview erläutert der Münchener Rechtsanwalt Sascha Borowski, Mitautor im kürzlich erschienenen ersten VSBG-Kommentar, in welcher Rolle er die Schlichtung nach dem neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz sieht.

Akzeptanz des Schlichterspruchs teilweise abhängig von der Bindung an das Verfahrensergebnis

Herr Rechtsanwalt Borowski, welche Erfahrungen haben Sie in der Vergangenheit mit Ombudsmann- und Güteverfahren gemacht?

Mit beiden Verfahren haben wir unterschiedlichste Erfahrungen gesammelt. Viele Ombudsmannverfahren endeten mit einem positiven Schlichtungsspruch zugunsten unserer Mandanten. Vermehrt beobachten wir, dass die Beschwerdegegner den Schlichtungsvorschlag der Ombudsstelle nicht akzeptierten, sobald sie aufgrund der Höhe des Beschwerdewerts an diesen nicht gebunden sind. In Güteverfahren konnten wir ebenfalls Streitigkeiten für unsere Mandanten gütlich beilegen, wobei die Einigungsquote bei Güteverfahren hinter denen der Ombudsmannverfahren eher zurückblieb.

In welchen Fällen raten Sie Mandanten zu einer Verbraucherschlichtung? Und in welchen Fällen ist die Schlichtung aus Ihrer Sicht weniger geeignet?

In – soweit man dies sagen kann – juristisch eindeutigen Fällen raten wir Mandanten eine Verbraucherschlichtung anzustrengen. Zahlreiche Mandanten wählen, wenn die Rechtslage nicht durch ein OLG- oder sogar BGH-Urteil geklärt erscheint, alternative Streitschlichtungsverfahren. Dies ist bei nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfragen im Hinblick auf das Kostenrisiko nachvollziehbar, wenn die Mandantschaft beispielsweise das Kostenrisiko einer Klage scheut oder die Stellung eines Mahnantrages ausscheidet. Allerdings wird dies – nicht nur durch die neuere BGH-Rechtsprechung – für Verbraucher immer schwieriger. Gerade auch im Hinblick auf das vor kurzem in Kraft getretene Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Erklärt die Gegenseite, dass sie sich auf ein Schlichtungsverfahren nicht einlässt, ist das Abraten von einer alternativen Streitschlichtung wohl für den Anwalt verpflichtend.

Schriftsätze wie im Zivilprozess

Was passiert ganz konkret, wenn Sie einen Mandanten in die Verbraucherschlichtung schicken? Führen Sie selbst den Schriftverkehr mit der Schlichtungsstelle? Beschränken Sie sich auf das Wesentliche oder formulieren Sie ähnliche Schriftsätze wie im gerichtlichen Klageverfahren?

Regelmäßig begleiten wir die Mandanten während des gesamten Schlichtungsverfahrens. Wir erstellen die Schriftsätze in enger Absprache mit unseren Mandanten und führen das Verfahren, ähnlich einem Klageverfahren. Die von uns verfassten Beschwerden sowie Schriftsätze enthalten ein Rubrum, Anträge, die etwaigen späteren Klageanträgen entsprechen, sowie eine Sachverhaltsschilderung und rechtliche Ausführungen. Soweit es die Verfahrensordnungen zulassen, bieten wir auch „Beweismittel“ an, die sich im schriftlichen Verfahren regelmäßig auf textliche Anlagen beschränken.

Bei manchen Schlichtungsstellen hört man, Verbraucher erhielten dort rechtliche Ratschläge. Das hört sich nach dem Stammterrain der Anwaltschaft an. Inwieweit sehen Sie in Schlichtungsstellen eine Konkurrenz zur Anwaltschaft?

In den von uns vorwiegend geführten bank- und kapitalmarktrechtlichen Verfahren erteilten weder Güte-, noch Ombudsstellen Hinweise und beraten auch nicht. Dies mag bei anderen Schlichtungsverfahren anders sein. Schlichtungsstellen sehen wir nicht als Konkurrenz zur Anwaltschaft, sondern als wichtige Ergänzung. Gerade in alternativen Streitbeilegungsverfahren ist es möglich für beide Seiten gesichtswahrende Lösungen zu erzielen, die eine bereits bestehende und sodann auch fortgeführte Geschäftsbeziehung durchaus stärken. Bedauerlicherweise wird diese Möglichkeit immer noch zu wenig genutzt und das Verfahren (noch) nicht als echte Alternative/Ergänzung zum Zivilprozess verstanden.

Was war Ihre interessanteste Erkenntnis in Zusammenhang mit der Streitbeilegung in Verbrauchersachen?

Da gibt es Einige, die skurrilste haben wir in einem nachfolgenden Zivilprozess erlebt. Das von uns eingeleitete Ombudsmannverfahren endete mit einem positiven Schlichtungsspruch, der allerdings für die Gegenseite aufgrund der Höhe des Wertes nicht bindend war. In dem nachfolgenden Zivilprozess hielt die Richterin den verfahrenseinleitenden Antrag für nicht ausreichend individualisiert im Sinne der neueren BGH-Rechtsprechung, obwohl die zuvor befasste Ombudsfrau (ehemalige BGH-Richterin) aufgrund des verfahrenseinleitenden Antrages unseren Mandanten Recht gab. Wir sind zuversichtlich, dass die erstinstanzliche Entscheidung vom Oberlandesgericht aufgehoben wird.

Herr Rechtsanwalt Borowski, vielen Dank für das Interview!