In einem Beitrag für die aktuelle Juristenzeitung (JZ 2015, 548-554) beschäftigt sich der Luxemburger Professor Dr. Burkhard Hess mit prozessualen Mindestgarantien in der Verbraucherschlichtung.
Mindeststandards im Verfassungsrecht und in der ADR-Richtlinie
Hess verweist darauf, dass die ADR-Richtlinie selbst in ihren Art. 5 ff. eine Reihe von Verfahrensstandards etabliert, die Streitbeilegungsstellen künftig einhalten müssen. Darin erschöpfe sich allerdings der Rechtsrahmen für die Ausgestaltung dieser Verfahren nicht, denn das deutsche Verfassungsrecht, namentlich das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, wie auch Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK und Art. 47 der GR-Charta enthielten Vorgaben, die auch von den Streitbeilegungsstellen zu berücksichtigen seien. Zwar zielten diese Verfahrensgarantien auf gerichtliche Verfahren, allerdings gebe es gute Gründe, sie auch auf die außergerichtlichen Verfahren anzuwenden: Alternative Streitbeilegungsverfahren der heutigen Form hätten bei der Formulierung der nämlichen normativen Standards noch nicht existiert, weiterhin gälten die Standards unstreitig auch im (außergerichtlichen) Schiedsverfahren, ihre Anwendung auf außergerichtliche Verfahren sei ferner zweckmäßig, und schließlich verpflichteten sie ohnehin den Gesetzgeber zur Bereitstellung entsprechend ausgestalteter Verfahren. Diese Gründe rechtfertigten es, die genannten prozessualen Mindestgarantien auch für Verbraucherstreitbeilegungsverfahren gelten zu lassen. Der Referentenentwurf für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz genüge diesen Vorgaben allerdings noch nicht vollends, etwa weil er nicht ausreichend gewährleiste, dass Ansprüche von Verbrauchern in der Schlichtung auch tatsächlich voll durchgesetzt werden. Weiterhin seien ein umfassendes Akkreditierungssystem für Schlichtungsstellen, die umfassende juristische Qualifikation des letztverantwortlichen Streitmittlers und die zwingende Veröffentlichung „wichtiger Lösungsvorschläge“ von Schlichtungsstellen bei der Umsetzung der ADR-Richtlinie wünschenswert.
Bedeutungsverlust der Ziviljustiz durch transparente Schlichtung kompensierbar
Unter diesen Bedingungen sieht Hess die anstehende Umsetzung der ADR-Richtlinie auch als Chance, die Verbraucherstreitbeilegung aktiv zu regeln und in ihrer Qualität zu verbessern. Die Verbraucherschlichtung könne sich – bei Wahrung der notwendigen Verfahrensstandards – neben der Justiz als zweite Spur der Konfliktlösung etablieren und ihrerseits zur Rechtsfortbildung beitragen. Man müsse zwar damit rechnen, dass die Ziviljustiz in Zukunft an Bedeutung verliert, allerdings sei es „durchaus möglich, den zu erwartenden Rückgang publizierter verbraucherrechtlicher Entscheidungen der Ziviljustiz durch eine entsprechende Transparenz der Schlichtungspraxis von AS-Stellen zu kompensieren“. Unter diesen Umständen könne „die Veröffentlichung von Informationen und Fällen [der Schlichtungsstellen] auch der Fortentwicklung des Rechts dienen“.