Ein Trojaner beim Zugang zu Gerichten?

Der Bremer Rechtsprofessor Norbert Reich erläutert in einem aktuellen Beitrag für die European Review of Contract Law, inwieweit die Richtlinie 2013/11/EU über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten den Zugang von Verbrauchern zu den staatlichen Gerichten möglicherweise versteckt behindert.

Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit auf dem Vormarsch?

Hintergrund für den Beitrag von Reich ist die AS-Richtlinie der EU, nach der Verbraucher ihre Konflikte mit Unternehmern zukünftig systematisch außerhalb der Gerichte lösen können sollen. Reich betont, dass die Richtlinie neben den konsensorientierten Streitbeilegungsverfahren und der in diesem Kontext häufig diskutierten Verbraucherschlichtung auch beidseitig bindende Konfliktlösungsverfahren und damit Schiedsverfahren umfasst. Verbraucherschiedsverfahren werden zwar in Europa anders als in den USA gegenwärtig praktisch nicht genutzt, es wäre aber denkbar, dass sie sich im Windschatten freiwilliger alternativer Streitbeilegung nach der AS-Richtlinie etablieren könnten.

Rechtsprechung in den USA und in Kanada schiedsfreundlich

Mit Blick auf die weite Verbreitung von Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen in Nordamerika beleuchtet Reich die jüngste höchstgerichtliche Rechtsprechung in den USA und in Kanada zu Verbraucherschiedsverfahren. In den US-Fällen AT&T Mobility v. Concepcion (US Supreme Court, 563 U.S. 321, 2011, Volltext pdf) und American Express Co. v. Italian Colors Restaurant (US Supreme Court, 570 U.S. ___, 2013, Volltext pdf) gab es zwar Minderheitsvoten einzelner Richter, die Senatsmehrheit bestätigte aber die Wirksamkeit von Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen. Reich beschreibt weiter, dass sich die kanadische Rechtsprechung etwas differenzierter gestaltet, gegenwärtig aber Verbraucherklagen vor staatlichen Gerichten aus Verträgen mit Schiedsklauseln weiterhin nicht zulässt. Sollte sich die dortige Rechtsprechung einmal entscheiden, Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen zu kippen, hätte dies freilich weitreichende Folgen: Denn damit wäre der Weg frei für die in Nordamerika gängigen Sammelklagen – ein Szenario, das die beteiligten Unternehmen aufgrund der damit verbundenen Insolvenzgefahr scheuen.

Schiedsklauseln künftig auch in Europa?

In Europa hat der EuGH im Fall Elisa María Mostaza Claro v. Centro Móvil Milenium SL (26. Oktober 2006, Az. C 168/05, Volltext) entschieden, dass Verbraucherschiedsklauseln unter bestimmten Umständen nach mitgliedstaatlichem Recht unwirksam sein können. Weiter verweist Reich auf die Entscheidung Asturcom Telecomunicaciones SL v. Cristina Rodríguez Nogueira (6. Oktober 2009, Az. C 40/08, Volltext), wonach die Materie eines Verbraucherschiedsverfahrens auch nach dem Schiedsspruch abhängig vom nationalen ordre public noch vor staatliche Gerichte gebracht werden kann. Reich zufolge wäre es sinnvoll, die im Fall Asturcom aufgestellten Grundsätze des EuGH über den nationalen ordre public hinaus zu generalisieren. Diesen Aspekt lasse die AS-Richtlinie wie viele Problempunkte unbehandelt. So greife der Heimatgerichtsstand des Verbrauchers nach Art. 15 EuGVO nicht für Verbraucherschiedsverfahren, so dass sich der Verbraucher im Zweifel der Ortswahl des Händlers fügen müsse. Diese Probleme seien in Art. 10 der AS-Richtlinie nur unzureichend geregelt. Schließlich bestehe ein Spannungsverhältnis zwischen Verbraucherschiedsklauseln und der New Yorker Konvention über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, das mit Blick auf Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta unbedingt zugunsten der Verbraucherrechte aufgelöst werden müsse.

Der Beitrag von Professor Reich ist auf den Seiten des Verlags de Gruyter zum kostenpflichtigen Download verfügbar.