Online-Streitbeilegung: Vorschlag für eine europäische Dienstleistungsnorm

In einem Beitrag für das Journal of European Consumer and Market Law (EuCML 2015, 50-58) sprechen sich der Osnabrücker Professor Dr. Christoph Busch und Simon Reinhold für die Etablierung eines europaweiten Standards für Online-Streitbeilegung in Ergänzung zu den Verfahrensanforderungen der ADR-Richtlinie aus.

ADR-Richtlinie und VSBG regulieren nur anerkannte Schlichtungsstellen

Hintergrund des Votums für ODR-Standards ist die faktisch begrenzte Reichweite von ADR-Richtlinie und dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der gegenwärtig diskutierten Fassung für geringwertige Streitigkeiten im Bereich des elektronischen Handels. Denn bei einem durchschnittlichen Online-Bestellwert von 100 EUR werden sich Unternehmer kaum freiwillig auf außergerichtliche Schlichtungsverfahren einlassen, für das sie – unabhängig von der Begründetheit der Verbraucherbeschwerde! – ungefähr 200 EUR (vgl. § 31 Abs. 1 RegE VSBG) Gebühren zahlen sollen. Darauf hat vor einiger Zeit bereits Michael Grupp in einem Beitrag für das Anwaltsblatt hingewiesen („Der E-Commerce reguliert sich selbst“, AnwBl 2015, 186, 193). Gerade Internethändler, die den Löwenanteil des von der EU beschworenen Binnenmarkts ausmachen, werden sich daher Verfahren vor den VSBG-Schlichtungsstellen weitgehend verweigern und eher nicht-regulierte Konfliktlösungsmöglichkeiten implementieren.

Einheitliche technologische Standards erforderlich

Wie die außergerichtliche Streitbeilegung außerhalb des Anwendungsbereichs der ADR-RL und des VSBG aussehen kann, zeigen Busch und Reinhold am Beispiel des US-amerikanischen Zahlungsdienstleisters PayPal. Dieses Unternehmen, das zweifelsohne Pionierarbeit für die Online-Streitbeilegung geleistet hat, bietet seinen Kunden schon seit vielen Jahren ein Online-Streitbeilegungstool an. Bei einem Problem mit einem über PayPal abgesicherten Geschäft können PayPal-Kunden eine Beschwerde erheben, die dem Vertragspartner zugeleitet und bei Nichtabhilfe von PayPal „entschieden“ wird. Busch und Reinhold weisen darauf hin, dass dieses – außerhalb von ADR-RL und VSBG stehende – Konfliktmanagement für PayPal-Kunden in entscheidender Hinsicht intransparent ist, etwa weil unklar bleibt, wer auf welcher Grundlage eine Entscheidung mit welcher Bindungswirkung fällt. Angesichts dessen wäre Busch und Reinhold zufolge ein europaweiter Standard nach dem Vorbild des europäischen Produktsicherheitsrechts und der ISO-Normen hilfreich, der die allgemeinen Vorgaben der ADR-Richtlinie für sämtliche Online-Streitbeilegungsmechanismen sorgfältig ausbuchstabiert und an die spezifischen Gegebenheiten der Online-Konfliktlösung (z.B. die Möglichkeiten eines vollautomatischen Streitbeilegungsverfahrens) anpasst.

Der Beitrag von Busch und Reinhold ist online abrufbar bei beck-online.