Schlichtungsbereit oder nicht schlichtungsbereit? Eine aktuelle Entscheidung des OLG Celle zeigt: Es kommt auf den Einzelfall an!
Der gesetzliche Hintergrund: § 36 VSBG
In Umsetzung der europäischen ADR-Richtlinie verpflichtet der Gesetzgeber Unternehmen seit April 2016, mit Blick auf ihre Schlichtungsbereitschaft Farbe zu bekennen. In § 36 Abs. 1 VSBG heißt es:
Ein Unternehmer … hat den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat“.
Teilnahme an einer Verbraucherschlichtung: Grundsätzlich gerne
Im nun vom OLG Celle entschiedenen Fall (OLG Celle v. 24. Juli 2018, 13 U 158/17, Volltext) klagte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen eine Unternehmerin, deren AGB folgenden Passus enthielten:
Zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle sind wir nicht verpflichtet. Dennoch sind wir zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle grundsätzlich bereit.
Auf die Nennung einer zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle hatte die beklagte Unternehmerin verzichtet. Der klagende Verband nahm daran Anstoß: Er vertrat die Auffassung, wer zur Verbraucherschlichtung „grundsätzlich bereit“ sei, habe sich zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren verpflichtet und müsse daher auch eine zuständige Verbraucherschlichtungsstelle benennen.
OLG Celle: Grundsätzlich = nicht unbedingt
Das OLG Celle sah das anders. Wer zur Teilnahme an einer Verbraucherschlichtung nur grundsätzlich bereit sei, behalte sich vor, in bestimmten Einzelfällen eine Schlichtung abzulehnen. Das überzeugt: Wer sich wie die beklagte Unternehmerin noch das Hintertürchen einer Einzelfallprüfung offen lässt, verpflichtet sich nicht endgültig zur Teilnahme an der Schlichtung. Problematisch ist an der genannten AGB eigentlich etwas anderes: Man könnte daran zweifeln, ob die Klausel den Kunden tatsächlich im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG „klar und verständlich“ informiert. Denn sie enthält keine Aussage dazu, in welchen konkreten Fällen das Unternehmen eine Schlichtung ablehnen wird. Womöglich ist die Klausel daher nach § 305c Abs. 2 BGB im Sinne einer doch vorbehaltlosen Schlichtungsbereitschaft auszulegen.
Schlichtungsbereit nur auf dem Papier?
Dem OLG Celle war eine Auseinandersetzung mit diesen Transparenzfragen vermutlich zu umständlich. Es umging diese Facette des Falls mit dem Schlichten Hinweis, dass die beklagte Unternehmerin selbst dann keine Verbraucherschlichtungsstelle hätte benennen müssen, wenn sie sich vorbehaltlos zur Teilnahme an einer Schlichtung bereit erklärt hätte. Denn die Informationspflicht des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG greife nicht schon bei der Erklärung vorbehaltloser Schlichtungswilligkeit, sondern erst bei einer vertraglichen Selbstverpflichtung des Unternehmers. Diese Auslegung des Gesetzes erscheint allerdings mit Blick auf das Telos des VSBG sehr zweifelhaft. Denn zum einen verengt das OLG den Begriff der Verpflichtung in § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG ohne gesetzliche Stütze auf eine vertragliche Verpflichtung. Und zum anderen führt diese Handhabung auch zu Folgen, die der Gesetzgeber sicher nicht beabsichtigt hat. Denn so könnte sich ein Unternehmer in seinen AGB zunächst als uneingeschränkt schlichtungsbereit erklären, um dann nach Einleitung der Schlichtung durch den Verbraucher zu behaupten, er habe sich nicht zur Teilnahme an einer Schlichtung verpflichtet. Der Kunde würde so durch die Erklärung der Schlichtungsbereitschaft in die Irre geführt. Dabei hat die Informationspflicht des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG doch gerade den Sinn, den Verbraucher zu informieren, ob es sich lohnt, eine Schlichtung anzustoßen.
Nächste Station: Bundesgerichtshof
Immerhin ist in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der klagende Verband hat gegen das Urteil des OLG Celle Revision eingelegt. Über das richtige Verständnis von § 36 VSBG wird damit letztlich der BGH befinden. Mit einer Entscheidung ist ungefähr im Herbst 2019 zu rechnen. Ein Aktenzeichen ist aktuell noch nicht vergeben.
Update: Ein aktueller Beitrag zum Thema aus der Feder von Christian Nordholtz und Eduard Weber – ohne konkret benannten Bezug zum Urteil des OLG Celle – findet sich in der NJW 2018 auf den Seiten 3057-3060.