Interview zur Verbraucherschlichtung aus Anwaltsperspektive

Nach dem Interview mit der Leiterin der ÖRA Hamburg beantwortet nun Rechtsanwalt Dr. Stefan Schmitt aus München als zweiter Interviewpartner eine Reihe von Fragen zur Verbraucherschlichtung aus anwaltlicher Perspektive.

Verfahrensdauer teilweise sehr kurz, Erfolgsquoten mäßig

Herr Dr. Schmitt, in Ihrem Beitrag in der VuR 2015, 134-139 (abrufbar über beck online) berichten Sie über Ihre Erfahrungen mit der Anrufung einer Schlichtungsstelle zur Durchsetzung von Verbraucherrechten. Haben Sie die Alternative eines Schlichtungsverfahrens bereits systematisch in Ihre anwaltliche Beratungspraxis implementiert oder kommt die Idee, einen Schlichter einzuschalten, in der Regel vom Mandanten selbst?

Branchenspezifische Schlichtungsverfahren bilden weiterhin die große Ausnahme: Die Gründe habe ich ausführlich in meinem Beitrag in der VuR darzustellen versucht: Die Erfolgsquoten sind – etwas variierend in den einzelnen Branchen – eher mäßig. Ob dies Gründe in der Finanzierung der Schlichtungsstellen oder in der Auswahl und Person der Ombudsleute hat, bleibt Spekulation; der Umstand, dass es sich bei den Entscheidern, gerade bei mehreren aufeinanderfolgenden Ernennungen, häufig um bereits seit langen Jahren emeritierte bzw. pensionierte Honoratioren handelt, ist nicht unproblematisch. In einem aktuellen Schlichtungsverfahren – bei dem es sich allerdings nicht um eine Verbraucherschlichtung handelt – vor der Landesärztekammer war das medizinische Kommissionsmitglied bereits 87 Jahre alt, was, ohne die Reputation in Abrede stellen zu wollen, Fragen zur Bereitschaft der Fortbildung und angesichts jahrelang andauernder Verfahren natürlich auch nach dem Gesundheitszustand aufwirft. Der Weg des Schlichtungsverfahrens wird in der Regel aus rein finanziellen Erwägungen gewählt und häufig dann, wenn das Kostenrisiko, z.B. wegen fehlender Rechtsschutzversicherung, gescheut wird. Man muss sich bewusst sein, dass mit Ausnahme der Vorlage von Dokumenten auch keine zu einem Gericht vergleichbare Beweiserhebung möglich ist, insbesondere können Zeugen nicht einvernommen und auch Gutachter nicht befragt werden.

Treffen Sie mit Ihren Mandanten für das Schlichtungsverfahren regelmäßig eine Gebührenvereinbarung oder belassen Sie es bei der ggf. anfallenden Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG? Inwiefern rechnet sich die Begleitung des Mandanten in der Schlichtung für Sie als Anwalt?

Dies ist sehr individuell und auch bei den jeweiligen Verfahren unterschiedlich: bei Schlichtungsverfahren im ärztlichen Bereich, die von den neuen Regelungen zur Schlichtung in Verbrauchersachen ausgenommen sind, sich aber über Jahre hinziehen können, sind die gesetzlichen Gebühren nicht ausreichend. Bei üblicherweise kürzeren Verfahren, wie dem in meinem Beitrag behandelten beim Bankenverband, wo nur eine einzelne Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt wird, sind die gesetzlichen Gebühren auskömmlich.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Verfahrensdauer von Schlichtungsverfahren?

Dies läßt sich nicht generell sagen, da ich nur sehr vereinzelt solche Verfahren führe. Das Verfahren vor der Landesärztekammer ist nach nunmehr 4 Jahren immer noch in der Schwebe, das Verfahren vor dem Bankenverband war binnen weniger Wochen abgeschlossen, nur um zwei aktuelle Beispiele zu nennen.

Verbraucherschlichtung grundsätzlich gut, aber nur im Ausnahmefall zu empfehlen

In welchen Fällen würden Sie Verbrauchern künftig zur Anrufung einer Schlichtungsstelle raten?

Gegenwärtig würde ich nur in Ausnahmefällen zu solchen Verfahren raten, wenn es um einzelne Rechtsfragen ohne hohe Komplexität geht, und vorrangig in Fällen, in denen das Kostenrisiko immanent ist. In jedem Fall ist anzuraten, vor Aufnahme eines solchen Verfahrens im Tätigkeitsbericht des Ombudsmannes nachzusehen, welche Erfolgsquoten in der einzelnen Branche bestehen, damit man sich keinen Illusionen hingibt.

Der Gesetzgeber sieht in § 43 Abs. 1 VSBG die Förderung einer Verbraucherschlichtungsstelle vor, die Beschwerden aus fast jeglichen Verbraucherverträgen annimmt. Gleichzeitig versprechen §§ 20 Abs. 2, 23 Abs. 1 S. 1 VSBG ein für den Verbraucher kostenloses Verfahren, das 90 Tage nach Eingang der Beschwerdeakte abgeschlossen ist. Anwälte könnten nun auf den Gedanken kommen, mit dem Einverständnis ihrer Mandanten sämtliche noch nicht verjährten Forderungen, deren gerichtliche Geltendmachung am Kostenrisiko oder an sonstigem rationalen Desinteresse gescheitert ist, bei dieser Schlichtungsstelle geltend zu machen. Inwieweit würden Sie dieses Vorgehen erwägen?

Ich sehe hier keine Verfahrensflut heranrollen. Reizvoll ist neben der kurzen Erledigungsfrist in Verbrauchersachen natürlich die niedrige Zugangsschwelle, weil keine relevanten Verfahrensgebühren anfallen und auch keine gegnerischen Kosten zu erstatten sind, falls der Anspruch nicht zuerkannt wird, das Risiko bleibt also überschaubar. Der Umstand, dass andererseits die eigenen Anwaltsgebühren zu tragen und die Erfolgsaussichten oft nur moderat sind, machen das Verfahren als Regelinstrument jedoch nicht gerade attraktiv.

Welche Folgen könnte die verstärkte Bedeutung der Verbraucherschlichtung Ihrer Ansicht nach für die anwaltliche Arbeit und für die Bedeutung der staatlichen Justiz haben?

Meines Erachtens werden die Auswirkungen für die Justiz und deren Entlastung gering sein, da aus den diskutierten Gründen tendenziell Schlichtungsverfahren durchgeführt werden in Fällen, die andernfalls wegen des Kostenrisikos nicht rechtshängig gemacht worden wären. Dennoch ist das Branchenschlichtungsverfahren aus Verbrauchersicht insgesamt doch zu begrüßen, da mit geringem finanziellem Aufwand so auch Fälle zur Überprüfung gestellt werden können, die nicht vor Gericht gebracht worden wären. Die Aussichten sind zwar nicht überbordend, gleichwohl gibt es natürlich auch eine Reihe von Fällen, die im Schlichtungsverfahren dennoch zu einem (zumindest teilweisen) Erfolg führen. Außerdem wirkt die schiere Existenz einer Institution, der strittige Fälle zur Prüfung vorgelegt werden können und der sich Unternehmen stellen müssen, im Verbraucherinteresse disziplinierend.

Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Schmitt! Weitere Informationen zur Tätigkeit von Rechtsanwalt Dr. Stefan Schmitt finden sich auf seiner Internetseite.