§ 22 VSBG: Verschwiegenheit wem gegenüber?

Am Rande einer Besprechung einer aktuellen Entscheidung des VG Hannover (Beschluss v. 09. Juni 2016, Az. 1 B 2067/16, Volltext, VuR 2016, 392-393) befasst sich Reinhard Greger mit der Frage, inwieweit eine Verbraucherschlichtungsstelle mit einzelnen Parteien vertraulich kommunizieren darf.

§ 22 VSBG bezieht sich nur auf das Außenverhältnis zu Dritten

Für Verbraucherschlichtungsverfahren regelt § 22 S. 1 VSBG:

Der Streitmittler und die weiteren in die Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens eingebundenen Personen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes geregelt ist.

Die Vorschrift verpflichtet die Mitarbeiter der Schlichtungsstelle zu unbedingter Verschwiegenheit mit Blick auf alles, was ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit bekannt geworden ist. Ausnahmen zu dieser Verschwiegenheitspflicht sind in § 22 S. 3 VSBG i.V.m. § 4 S. 3 MediationsG eng umrissen. Allerdings stellt sich die Frage, wem gegenüber die Schlichtungsstelle Verschwiegenheit wahren muss. Greger spricht sich dafür aus, die Verschwiegenheitspflicht nicht auf das Verhältnis der Schlichtungsstelle zur jeweils anderen Streitpartei anzuwenden. Mehr noch: Die Schlichtungsstelle sei im Regelfall dazu verpflichtet, jeder Partei diejenigen Informationen weiterzugeben, die sie von der jeweils anderen Partei erhalten hat.

Rechtliches Gehör schlägt Pflicht zur Verschwiegenheit

Greger beruft sich dabei auf § 17 Abs. 1 S. 1 VSBG, wonach die Schlichtungsstelle jeder Partei rechtliches Gehör gewähren muss. Rechtliches Gehör bedeute nicht nur, dass die Parteien der Schlichtungsstelle ihre Sicht der Dinge erläutern können müssen, sondern auch, dass sie zu dem Vorbringen ihres Gegenübers Stellung beziehen können müssen. Es sei mit rechtsstaatlichen Prinzipien und mit der Unabhängigkeit des Schlichters unvereinbar, wenn sein Einigungsvorschlag durch ein Parteivorbringen beeinflusst sei, das die Gegenseite nicht kommentieren konnte. Das offene Kommunikationsforum innerhalb der Schlichtung sei umso wichtiger, als dem Schlichterspruch „eine nicht unerhebliche faktische Bindungswirkung“ zukomme, denn ein Verbraucher werde „in aller Regel der Empfehlung des Schlichters folgen“.

Verzicht auf das rechtliche Gehör möglich

Was ist zu tun, wenn eine Partei der Schlichtungsstelle dennoch Informationen übermittelt, zu deren Weitergabe an die Gegenseite sie die Schlichtungsstelle ausdrücklich nicht autorisiert? Greger hält es in diesen Fällen für geboten, dass der Streitmittler der anderen Partei zur Kenntnis bringt, dass er eine vertrauliche Information erhalten hat. Erkläre sich die andere Partei dann damit einverstanden, das Verfahren ohne Offenlegung dieser Information ihr gegenüber fortzusetzen, so sei eine Weiterführung des Schlichtungsverfahrens insbesondere mit Blick auf § 7 Abs. 4 VSBG unproblematisch. Anderenfalls aber müsse der Streitmittler das Verfahren an dieser Stelle abbrechen.