Verbraucherschlichtung und kollektiver Rechtsschutz

In einem Beitrag für die Zeitschrift Verbraucher und Recht (VuR 2016, 333-340) beleuchten Tobias Frank, Sebastian Henke und Jan Singbartl, wie Verbraucherstreitbeilegung und kollektiver Rechtsschutz bei der Bewältigung von Streu- und Massenschäden zusammenspielen.

Bewältigung von Streuschäden und Massenschäden de lege lata

Die Autoren skizzieren zunächst die Probleme, die bei Streuschäden und Massenschäden regelmäßig auftreten. Massenschäden sind danach Schäden, die bei einer Vielzahl von Individuen parallel auftreten, sich aber auf eine einzige Handlung bzw. mehrere gleichartige Handlungen zurückführen lassen. Streuschäden sind individuell geringwertige Massenschäden, bei der sich die Rechtsverfolgung für das Individuum typischerweise nicht lohnt. Als klassische Instrumente zur gebündelten Wahrnehmung dieser Rechte beschreiben die Autoren Unterlassungsklagen, Gewinnabschöpfungsklagen und Musterverfahren. Gleichzeitig verweisen sie darauf, dass sich bislang in Deutschland kein Durchbruch für ein echtes Gruppenverfahren erzielen ließ. In Europa sehe es bedauerlicherweise nicht anders aus.

Kollektiver Rechtsschutz und Verbraucherstreitbeilegung

Der europäische Gesetzgeber hat sich Frank, Henke und Singbartl zufolge im Grundsatz eigentlich offen gegenüber dem kollektiven Rechtsschutz gezeigt. Allerdings seien Kollektivverfahren beim Erlass der ADR-Richtlinie in den Hintergrund getreten. Auch das deutsche Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) öffne keine neuen Türen für den kollektiven Rechtsschutz. So gebe es etwa in § 14 Abs. 1 VSBG keine Möglichkeit für Schlichtungsstellen, eine Schlichtung in Fällen abzulehnen, in denen eine Vielzahl von Schlichtungsanträgen parallel eingeht. Zudem sei der Nutzen der Verbraucherschlichtung gerade bei Streu- und Masseschäden begrenzt. Das liege bei Massenschäden daran, dass diese häufig im Deliktsrecht angesiedelt sind und insofern von der ADR-Richtlinie nicht erfasst werden. Bei Streuschäden hingegen halte das rationale Desinteresse die Betroffenen vermutlich häufig selbst von der niedrigschwelligen Verbraucherschlichtung noch ab.

Reformvorschläge für die Verschränkung beider Verfahrenstypen

Ein echtes Zusammenspiel von kollektivem Rechtsschutz und Verbraucherstreitbeilegung scheitert den Autoren zufolge schließlich auch an der Vertraulichkeit der Schlichtung nach § 22 VSBG. Dadurch würden die Verfahrensergebnisse nicht bekannt, so könnten andere Anspruchsinhaber davon nicht profitieren, also kämen auch keine Kollektivverfahren zustande. Insgesamt werde die Rechtsprechung vernachlässigt, das materielle Verbraucherrecht laufe weitgehend leer und der Binnenmarkt werde eher gehemmt als gefördert. Um Verbraucherstreitbeilegung und kollektiven Rechtsschutz besser miteinander zu verschränken, könne man einerseits die Gründe zur Ablehnung von Schlichtungsanträgen nach § 14 Abs. 1 VSBG erweitern. Andererseits sei auch die Zulassung eines Gruppenvergleichs in der Verbraucherschlichtung zu erwägen. Schließlich komme jenseits des kollektiven Rechtsschutzes auch in Betracht, das behördliche Auskunftsrecht nach § 34 Abs. 4 VSBG intensiv zu nutzen, um häufig vorkommende Fallgestaltungen frühzeitig aufzuspüren.