In einem Beitrag für die aktuelle Juristenzeitung beleuchtet der Passauer Professor Dr. Thomas Riehm die Rolle des materiellen Verbraucherrechts für die Verbraucherstreitbeilegung. Dabei betont er, es gehe in der Verbraucherschlichtung nicht um die Durchsetzung materieller Verbraucherrechte, sondern um die Wahrung von Verbraucherinteressen.
Verfahrensziel: Nicht Rechtsdurchsetzung, sondern Wahrung von Verbraucherinteressen
Eingangs konstatiert Riehm, die Verbraucherschlichtung nach dem neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz habe reichlich Kritik gefunden. Ein zentraler Vorwurf laute, die Schlichtung mache der Justiz Konkurrenz und verkürze so materielle Verbraucherrechte. Gegen diese Kritik nimmt Riehm nun die Verbraucherschlichtung in Schutz: Es gehe der Schlichtung schlicht nicht um die Durchsetzung von Verbraucherrechten, sondern um die Wahrung von Verbraucherinteressen. Als Aliud zu Rechtsberatung und Justiz tangiere sie deren Bedeutung nicht.
Nebenkosten eines Gerichtsverfahrens schmälern den Erfolg des Gewinners
Weiter legt Riehm dar, dass gerade die gerichtliche Streitbeilegung regelmäßig mit erheblichen Nachteilen für die Beteiligten einhergehe. So entstünden auch einem Kläger, der in der Sache obsiegt, erhebliche materielle und immaterielle Kosten, die der Kostentragungspflicht des Verlierers nach § 91 ZPO nicht unterworfen sind. Stelle man diese Kosten in Rechnung, werde das Ergebnis eines schlanken Schlichtungsverfahrens nicht selten den Verbraucher besser stellen, selbst wenn sein streitgegenständlicher Anspruch nicht voll befriedigt werden sollte. Weiterhin sei es im Interesse zumindest risikoaverser Verbraucher, wenn das Risiko des Nichtbestehens seines Anspruchs in den Vergleichsvorschlag eingepreist werde. Darin liege kein fauler Kompromiss, sondern eine Abbildung der Prozessrisiken, der zu folgen den Parteien immer noch freistehe. Vor diesem Hintergrund ist es Riehm zufolge nur konsequent, wenn das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz für Schlichtersprüche auch keine strikte Rechtsbindung vorsieht.
Plädoyer für den kollektiven Rechtsschutz
Was schließlich die Bedeutung des materiellen Verbraucherrechts und der Justiz angeht, verweist Riehm darauf, dass die Justiz für viele Verbraucherstreitigkeiten faktisch unattraktiv sei:
Es ist unabhängig von der Möglichkeit eines AS-Verfahrens schlicht nicht rational, für einen typischen Verbraucherkonflikt mit geringem Streitwert den Weg durch alle Instanzen zu nehmen.
Die Lösung dieses Problems liege indes nicht in einem Zurückdrängen der Verbraucherschlichtung, sondern sei vielmehr in kollektiven Rechtsschutzformen zu suchen. Hier sei der Gesetzgeber aufgerufen, Kollektivklagen zu etablieren, um einen echten Zugang zum Recht sicherzustellen.
Der Beitrag von Thomas Riehm findet sich in der Juristenzeitung 2016 auf den Seiten 866-873. Er ist zudem auch kostenpflichtig online abrufbar.