Sprache und Binnenmarkt

Das prägendste Ziel der europäischen Verbraucherschutzpolitik ist seit langem die Stärkung des europäischen Binnenmarkts. Verbraucher sollen Vertrauen in den Handel mit Unternehmern aus anderen Mitgliedstaaten fassen. Zu diesem Zweck versucht die Union, zügig Handelsbarrieren jeglicher Art abzubauen.

Regulierung von Verbraucherrechten und Verbraucherrechtsdurchsetzung

Die Europäische Union hat zur Stärkung des Verbrauchervertrauens in den letzten Jahrzehnten eine erhebliche Zahl europaweit einheitlicher Verbraucherrechte geschaffen. Wegen Art. 6 Abs. 2 der Rom-I-Verordnung kann sich zudem jede Verbraucherin darauf verlassen, dass sie überall in der Union zumindest denjenigen rechtlichen Schutz genießt, den ihr die eigene Heimatrechtsordnung bietet. Neben dieser Verstärkung und Vereinheitlichung des materiellen Rechts hat die Union in den vergangenen Jahren auch den gerichtlichen Rechtsschutz vereinfacht: Es gibt inzwischen ein europäisches Mahnverfahren und ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen, die sich durch europaweit einheitliche Formblätter initiieren lassen. Bis 2015 sollen auch die Rahmenbedingungen für außergerichtliche Verbraucherverfahren vereinheitlicht sein.

Sprache bleibt ein Hemmnis für den grenzüberschreitenden Handel

Während die Resonanz auf die Rechtsakte zur außergerichtlichen Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (AS-Richtlinie und OS-Verordnung) noch nicht sicher zu prognostizieren ist, hat sich für die Stärkung der materiellen Verbraucherrechte und die Schaffung europäischer gerichtlicher Verfahren bereits gezeigt, dass diese Maßnahmen weitgehend fruchtlos waren. Sie haben den nur langsam wachsenden europäischen Binnenmarkt jedenfalls nicht in empirisch nachgewiesener Weise spürbar belebt. Diese Entwicklung verwundert kaum angesichts dessen, dass die europäische Rechtsdurchsetzung faktisch nach wie vor sehr kompliziert ist. Neben der räumlichen Distanz spielt hier vor allem die Sprache eine Rolle. Verbraucher können zwar nach Art. 5 Nr. 1 und vor allem nach Art. 16 der Rom-I-Verordnung häufig in ihrem Heimatstaat und damit in ihrer Muttersprache prozessieren, sie werden aber bereits durch die Fachsprache der prozesseinleitenden Formalien vom gerichtlichen Verfahren abgeschreckt. Unternehmer hingegen können Verbraucher nach Art. 16 Abs. 2 Rom-I-Verordnung nur in deren Heimatstaat verklagen; sie werden einen Prozess insofern meiden, weil sie ihn meist auf einer Fremdsprache führen müssten. Wie Cortés und Lodder in einem aktuellen Beitrag für das Maastricht Journal of European and Comparative Law zeigen, wird dieses Problem auch von der OS-Verordnung der EU nicht zufriedenstellend gelöst.

Englisch als zukünftige alleinige Amtssprache der EU?

Das Sprachproblem ließe sich erheblich entschärfen, wenn die Zahl der Amtssprachen der Europäischen Union stark reduziert würde. Verbliebe etwa Englisch als einzige offizielle Amtssprache der Union und wären auch alle grenzüberschreitenden Verfahren in englischer Sprache zu führen, so wäre auch eine erheblich höhere Nutzung des Europäischen Mahnverfahrens und des Verfahrens zur Durchsetzung geringfügiger Forderungen zu erwarten. Die europäischen Verfahren würden aber nicht nur unionsintern eine bessere Rechtsdurchsetzung ermöglichen, sondern europäische Verfahren könnten auch im globalen Rechtswettbewerb an Bedeutung gewinnen. Freilich wäre damit die andere Facette des Sprachproblems noch nicht gelöst: Es bliebe die Herausforderung für die EU, die verfahrensleitenden Formulare ihrer Verfahren aus einer umständlichen Fachsprache in eine verbraucherverständliche Form zu überführen.