Verbraucherschlichtung aus Sicht einer Rechtsschutzversicherung

Im Interview antwortet Rainer Neckermann, Vorstand der HUK-COBURG Rechtsschutzversicherung, auf Fragen rund um Verbraucherschlichtung und Rechtsschutzversicherer. Die HUK-Coburg ist eine der größten deutschen Rechtsschutzversicherungen; die Unterstützung von Mediationsverfahren ist Teil ihres Angebotsportfolios.

Außergerichtliche Streitbeilegung: Überwiegend Anstoß von außen erforderlich

Der Gesetzgeber hat 2012 das Mediationsgesetz erlassen und fördert nun durch das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz noch einmal spezifisch die Verbraucherschlichtung. Beobachten Sie in letzter Zeit bereits eine stärkere Nachfrage Ihrer Versicherten nach konsensualer Streitbeilegung oder bedarf es dafür eines Anstoßes durch Dritte, z.B. durch Sie als Versicherer?

Betrachtet man die letzten fünf Jahre, können wir zwar eine deutliche Zunahme der Nachfragen nach Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung verzeichnen, dennoch ist für den überwiegenden Anteil unserer Kunden ein Anstoß von außen erforderlich.

Inwieweit erwägen Sie eine systematische Einbindung der Verbraucherschlichtung in Ihr Angebotsportfolio? Könnten Sie sich vorstellen, Verbraucher im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten dazu zu ermuntern oder sogar zu verpflichten, vor der Anrufung eines Gerichts einen Schlichtungsversuch zu unternehmen? Inwieweit wäre es denkbar, einen solchen Schlichtungsvorrang in einem speziellen, womöglich günstigeren Schlichtungstarif vorzusehen?

Die Übernahme von Kosten für Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (z. B. Schlichtungsverfahren) ist bereits seit mehreren Jahren in unseren Vertragsbedingungen enthalten. Unser Angebot umfasst dabei nicht nur Streitigkeiten aus Verbraucherverträgen [nunmehr konkret im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz geregelt], sondern bezieht sich auf alle Lebensbereiche, die der Kunde bei uns versichert hat. Im Rahmen unserer Regelungen verzichten wir auf den Abzug der grundsätzlich vereinbarten Selbstbeteiligung und im Erfolgsfall sogar auf die Rückstufung im Schadenfreiheitstarif.

Soweit Ihre Kunden auch zukünftig frei zwischen der kostenarmen Schlichtung und kostenintensiven Gerichtsverfahren wählen können: Wie können Sie als Versicherer verhindern, dass Ihre Kunden wenig aussichtsreiche Prozesse führen, die ein selbstzahlender Kläger nie angestrengt hätte?

Als Rechtsschutzversicherung haben wir hierauf grundsätzlich wenig Einflussmöglichkeiten. Die Vorteile sowie die guten Erfahrungen aus außergerichtlichen Konfliktbeilegungsverfahren sprechen wir selbstverständlich im Einzelfall an. Eine gute anwaltliche Beratung sowie wirtschaftlich denkende Kunden sind aber die ausschlaggebenden Voraussetzungen für das Unterlassen wenig aussichtsreicher Prozesse.

Deutliche Veränderungen im Markt für Rechtsschutzversicherungen zu erwarten

Könnten Sie als Rechtsschutzversicherung sich vorstellen, sich als Verbraucherschlichtungsstelle im Sinne des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes anerkennen zu lassen und dann selbst Verbraucherstreitigkeiten zu schlichten?

Kurzfristige Überlegungen hierzu stehen derzeit nicht an, für die Zukunft wollen wir aber auch nichts ausschließen.

Welche Bedeutung hat die Telefonmediation in Ihrer Praxis? Was können Sie zu den Fallzahlen, der üblichen Dauer und der Erfolgsquote der Telefonmediation sagen?

Soweit unsere Kunden mit der Durchführung einer Telefonmediation einverstanden sind, können sie selbstverständlich dieses Verfahren zur Klärung ihres Konfliktes wählen. In unsere Praxis nimmt die Telefonmediation einen nicht unerheblichen Teil ein. Unsere Kunden berichten uns hierzu, dass diese Form der außergerichtlichen Konfliktbeilegung im weit überwiegenden Teil zu einer dauerhaften und schnellen Lösung ihres Konflikts geführt hat und sie auch in künftigen Fällen gerne auf ein solches Angebot zurückgreifen würden.

Bei massenhaft auftretenden Verbraucherstreitigkeiten steigen in den letzten Jahren vermehrt Prozessfinanzierer in den Markt ein, die für nicht-rechtsschutzversicherte Anspruchsteller das Prozessrisiko tragen und sich dafür einen Anteil am Prozesserfolg versprechen lassen. Inwieweit werden in diesem Bereich zukünftig auch die klassischen Rechtsschutzversicherer vertreten sein?

Der Markt für die Rechtsschutzversicherung wird sich, nicht zuletzt aufgrund veränderter Kundenerwartungen, in den nächsten Jahren deutlich verändern. Hierzu werden auch die fortschreitende Digitalisierung und die alternativen Angebote der Streitbeilegung beitragen. Eine klassische Prozessfinanzierung kann ebenfalls eine Möglichkeit sein, auf diese Entwicklungen zu reagieren. Dies haben bereits einige Wettbewerber getan.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Neckermann!