Das Amazon Käufer-Schlichtungsprogramm: Streitbeilegung als Blackbox

Das US-Unternehmen PayPal war der Pionier im Bereich der Schlichtungssysteme auf Handelsplattformen. Gemeinsam mit dem Mutterunternehmen eBay experimentierte PayPal mit verschiedenen Beschwerdesystemen, bevor sie das heutige eBay Resolution Center und die PayPal Konfliktlösung einrichteten. Nunmehr hat der Online-Riese Amazon mit seiner Tochter Amazon Payments ein ähnliches Projekt angestoßen und ein Käufer-Schlichtungsprogramm eingerichtet. Was steckt dahinter?

Vage Informationen über den Ablauf der Schlichtung

Details zum Amazon Käufer-Schlichtungsprogramm werden auf den Seiten von Amazon Payments erläutert. Danach kommen zum Beispiel nur wesentliche Fehllieferungen für eine Schlichtung in Betracht, weiter ist die Beschwerde nur innerhalb einer bestimmten Frist möglich, und für den Erstattungsbetrag gibt es eine Obergrenze von 2.500 €. Diese Rahmenbedingungen sind insoweit nicht unüblich; die PayPal Konfliktlösung etwa sieht Ähnliches vor. Konkrete Informationen zum Ablauf einer Schlichtung beim Amazon Käufer-Schlichtungsprogramm gibt das Unternehmen allerdings nicht:

Amazon Payments wird versuchen, Streitigkeiten durch die Förderung einer nach dem Grundsatz von Treu und Glauben geführten Kommunikation zwischen Käufern und Verkäufern beizulegen.

Dieser etwas wolkigen Verfahrensbeschreibung lässt sich immerhin klar entnehmen: Ziel der Schlichtung ist es nicht, den Kunden zu ihrem Recht zu verhelfen, sondern Konflikte zur Zufriedenheit des Kunden aus der Welt zu schaffen. Das ist natürlich völlig legitim, denn das Angebot eines Schlichtungssystems ist zunächst einmal ein zusätzlicher Service für die Nutzer der Plattform, dessen Regeln der Betreiber weitgehend selbst bestimmen kann. Wünschenswert wäre es freilich, wenn das nach eigener Darstellung „kundenfreundlichste Unternehmen der Welt“ offen legen würde, in welchem konkreten Umfang es Kunden gegen unseriöse Vertragspartner schützt, d.h. unter welchen Bedingungen das Amazon Käufer-Schlichtungsprogramm eine Rückzahlung veranlasst. Auf Anfrage heißt es dazu von Amazon allerdings nur lapidar, dies seien

Informationen, die wir nicht veröffentlichen.

A-bis-z-Garantie: Amazon tendenziell käuferfreundlicher als PayPal

Dabei müsste Amazon größere Transparenz bei der Schlichtung nicht unbedingt scheuen. Immerhin ist das Konfliktlösungssystem eng verwoben mit der sog. A-bis-z-Garantie. Diese fängt zumindest bei Käufen, die über den Amazon Marketplace oder Amazon Payments bezahlt wurden, verbleibende Rückzahlungsausfälle von Verkäufern weitgehend auf. Zwar ist unklar, ob diese Absicherung auch bei ausbleibender Rückzahlung des Verkäufers nach einem Widerruf des Käufers greift (die Rede ist nur von einer vereinbarten Retoure). Allerdings ist das System – ähnlich der PayPal Konfliktlösung – insoweit überobligatorisch käuferfreundlich, als es die Preisgefahr sogar bei Privatverkäufen beim Verkäufer belässt. Amazon hat sich dabei in der Vergangenheit schon einigen Ärger von privaten Verkäufern eingehandelt, die sich nicht wie Unternehmer behandeln lassen wollten (vgl. die Diskussion im Juraforum).

Private Regelsetzung durch Handelsplattformen

Die genannten – freilich aktuell eher verbraucherfreundlichen – Abweichungen privater Konfliktlösungsregeln vom geltenden Recht könnten in absehbarer Zeit eine intensivierte wissenschaftliche Diskussion über die private Regelsetzung durch Handelsplattformen entfachen. Skepsis könnte insbesondere dort wachsen, wo die nämlichen Plattformen in einem Oligopol oder sogar einem Monopol operieren. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass der Markt für Konfliktlösung im e-Commerce binnen weniger Jahre von wenigen weltweit agierenden Playern kontrolliert werden wird. Jüngst ist der US-amerikanische Suchmaschinenanbieter Google mit einem eigenen Käuferschutz ins Rennen gegangen. Um diesen Markt zu regulieren, dürfte der Gesetzgeber die Plattformbetreiber mittelfristig zu größerer Transparenz verpflichten. Sucht man darüber hinaus nach einem angemessenen Ausgleich zwischen dem Ziel einer effektiven Verbraucherrechtsdurchsetzung und einer fairen Behandlung gerade plattformabhängiger Händler, so erscheint es prima facie denkbar, die Plattformen zu verpflichten, in ihren Konfliktlösungssystemen rechtstreue „Entscheidungen“ zu fällen. Das allerdings wäre ein erheblicher Eingriff in die Privatautonomie aller Marktteilnehmer, denen es im Grundsatz freisteht, Streitigkeiten mit einem Kompromiss beliebigen Inhalts beizulegen. Ein milderes Mittel bestünde womöglich in einer Verpflichtung der Systembetreiber, auf den rechtlich unverbindlichen Vorschlagscharakter ihrer „Entscheidungen“ hinzuweisen und ggf. die Sanktionsmechanismen gegenüber Händlern genauer unter die wettbewerbsrechtliche Lupe zu nehmen.