Verbraucherstreitbeilegungsgesetz

Am 11. November 2014 hat die Bundesregierung ihren Entwurf für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) vorgelegt. Der Entwurf ist online abrufbar auf den Seiten des BMJV. Er enthält eine Reihe von interessanten Weichenstellungen für die Behandlung von Verbraucherkonflikten in der Zukunft. Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz setzt Deutschland die AS-Richtlinie der Europäischen Union aus dem vergangenen Jahr um.

Verbraucherschlichtung im Mittelpunkt

Während sich die AS-Richtlinie auf sämtliche Methoden der Verbraucherstreitbeilegung bezieht – d.h. das bindende Verbraucherschiedsverfahren, die mit einem Ergebnisvorschlag aufwartende Verbraucherschlichtung und das völlig offene Verbrauchergüteverfahren – konzentriert sich das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz nunmehr auf die Verbraucherschlichtung. Kern des VSBG ist die Regelung der Tätigkeit von privaten und behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen. Diese müssen sich eine Verfahrensordnung geben (§ 4 Abs. 1), müssen Streitmittler mit allgemeinen Rechtskenntnissen und ohne unternehmerischen Bezug in den drei Jahren vor ihrer Bestellung einsetzen (§ 5) und müssen bei bestimmten Entscheidungen Verbraucherverbände beteiligen (§ 8). Sie müssen zudem bestimmte Informationen online bereithalten (§ 9) sowie jährlich einen Tätigkeitsbericht und alle zwei Jahre einen Evaluationsbericht abgeben (§ 32).

Gestaltung von Verbraucherschlichtungsverfahren

Weiter regelt der Gesetzentwurf für ein Verbraucherstreitbeilegungsgesetz nach Art einer Mini-ZPO den Rahmen des Schlichtungsverfahrens. Für Verfahrensmitteilungen einschließlich der Verbraucherbeschwerde genügt die Textform (§ 10), die Verfahrenssprache ist grundsätzlich Deutsch (§ 11), Verbraucher können sich anwaltlich vertreten lassen (§ 12) und können das Verfahren jederzeit beenden (§ 14). Der Schlichtungsvorschlag beruht nach dem Entwurf „auf der sich aus dem Streitbeilegungsverfahren ergebenden Sachlage und berücksichtigt das geltende Recht“ (§ 17 Abs. 1 S. 1); selbst das erscheint allerdings schon ambitioniert, wenn ein Streitmittler lediglich über allgemeine Rechtskenntnisse verfügen muss (s.o. § 5). Die Regelverfahrensdauer einer Verbraucherschlichtung liegt bei maximal 90 Tagen (§ 18). Der Entwurf des VSBG schreibt den Verbraucherschlichtungsstellen nicht vor, das Verfahren für Verbraucher gänzlich kostenfrei auszugestalten, sieht aber vor, dass das Entgelt bei Beteiligung eines Unternehmers allenfalls gering sein darf (§ 21 Abs. 1).

Anerkennung privater Schlichtungsstellen

Der Regierungsentwurf zu § 22 VSBG legt sodann fest, dass private Schlichtungsstellen als Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt werden können, wenn sie die organisatorischen und fachlichen Anforderungen des Gesetzes erfüllen, auf Dauer angelegt sind und ihre Finanzierung tragfähig erscheint. Es handelt sich dabei um eine behördliche Ermessensentscheidung, bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen dürfte das behördliche Ermessen allerdings weitgehend reduziert sein. Infolgedessen könnte es durchaus zukünftig einen Wettbewerb unter Verbraucherschlichtungsstellen geben. Hier könnten insbesondere die vielen von den Landesjustizverwaltungen anerkannten anwaltlichen Gütestellen auf den Plan treten und ihre Vermittlungsdienste anbieten.

Informationspflichten für Unternehmen

Für Unternehmer sind die §§ 34 f. des Entwurfs zum VSBG bedeutsam: Danach können sich Unternehmer grundsätzlich frei entscheiden, ob sie an Verfahren vor Verbraucherschlichtungsstellen teilnehmen wollen. Wenn sie sich dafür entscheiden, müssen sie ihre Kunden allerdings transparent über die Möglichkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle informieren. Diesen Hinweis müssen sie nach Entstehen der Streitigkeit von sich aus wiederholen, „wenn die Streitigkeit durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte“. Wann ein Scheitern der Beilegung im Einzelfall anzunehmen ist, bleibt nach dieser Formulierung unklar. Offensichtlich will der Gesetzgeber damit aber erreichen, dass Verbraucher zumindest einen Schlichtungsversuch unternehmen, bevor sie den Kopf in den Sand stecken. Dies hatte schon die AS-Richtlinie im Grundsatz so vorgezeichnet. Gerade bei Verbraucherschlichtungsstellen, die von Verbrauchern keine Kosten erheben, könnte diese Regelung zu einer Verfahrensflut, zu einem starken Kostenanstieg und zu Kapazitätsengpässen führen; mit steigender Nutzung der Schlichtungsstellen erscheint auch eine Verrechtlichung des Verfahrens nicht ausgeschlossen. Die staatlichen Gerichte haben Erfahrung damit.