Am heutigen Tage wird die ODR-Plattform der Europäischen Union zwei Jahre alt. Die Europäische Kommission hat vor wenigen Wochen einen Bericht über erste Erfahrungen mit der Plattform erstattet (COM(2017) 744 final, pdf). Die Kommission bewertet die bisherigen Nutzungszahlen (knapp 60.000 Beschwerden in den ersten beiden Jahren) vorsichtig positiv, sieht allerdings auch noch Optimierungspotenzial.
Große Zufriedenheit mit der ODR-Plattform
Im Kern äußert die Europäische Kommission große Zufriedenheit mit Blick auf die ersten Erfahrungen mit der neuen ODR-Plattform. Die Plattform funktioniere problemlos und leiste einen wichtigen Beitrag zur Vereinfachung des grenzüberschreitenden Online-Warenhandels. Offenbar teilen viele Nutzer die positive Einschätzung der Europäischen Kommission. 71% der Plattformnutzer fanden die Plattform hilfreich für ihr Anliegen. Im Sinne einer weiteren Verstetigung der Nutzung der Plattform verspricht die Kommission, sich künftig verstärkt um eine effektive Umsetzung der Verlinkungspflicht zu kümmern. Zudem werde die Benutzerfreundlichkeit der Plattform kontinuierlich verbessert, um sie für die Streitbeteiligten noch attraktiver zu machen.
99% aller Beschwerden bleiben im System hängen
Bemerkenswert ist, dass ein Großteil der über die ODR-Plattform erhobenen Beschwerden anschließend nicht oder nicht über die Plattform gelöst wird. In der Hälfte aller Fälle reagierte der Beschwerdegegner weder über die Plattform noch außerhalb davon auf das Vorbringen des Beschwerdeführers. In etwa einem Drittel der Fälle reagierte der Beschwerdegegner zumindest außerhalb der Plattform auf die Beschwerde. Nur in 15% der Fälle kam es überhaupt zu einer Interaktion auf der Plattform, so dass das Verfahren nicht von Seiten der Plattform nach 30 Tagen automatisch beendet wurde. Nur ganze 2% aller Beschwerden gelangte überhaupt zu den Streitbeilegungsstellen. Diese wiederum lehnten etwa die Hälfte der eingehenden Beschwerden ab. Zu einem Verfahren vor einer Streitbeilegungsstelle kam es mithin nur in einem von hundert Fällen.
Pläne zur Effektivierung der Online-Streitbeilegung
Die Kommission bedauert diesen Befund und nimmt die Mitgliedstaaten in die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass bilateral nicht befriedigend lösbare Streitigkeiten auch tatsächlich über die ODR-Plattform lanciert werden. Es erscheint allerdings fraglich, ob dadurch die Bereitschaft der Händler steigt, sich auf ein Schlichtungsverfahren einzulassen. Nach ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung ist die Verbraucherschlichtung ein für Händler weitgehend freiwilliges Verfahren. Manche von ihnen scheinen die Verbraucherbeschwerden zum Anlass zu nehmen, die Angelegenheit doch bilateral zu klären. Die meisten belassen es aber offenbar bei ihrer bisherigen Servicestrategie. Versuche ihrer Kunden, über ein nicht-zwingendes Verfahren noch etwas zu erreichen, beeindrucken sie augenscheinlich nicht.