Aktuelle Rechtsprechung: Wer darf Verbraucherrechte durchsetzen?

Welche Institutionen dürfen unter welchen Voraussetzungen Verbraucherrechte geltend machen? Neue Rechtsdurchsetzungsmodelle führen zu neuen rechtlichen Fragen, mit denen sich aktuell der BGH und die Instanzgerichte beschäftigen. Drei aktuelle Fälle betreffen (1) die Gewinnabschöpfung durch gewerbliche Prozessfinanzierer, (2) die Voraussetzungen für die Annahme einer klagebefugten Einrichtung und (3) die Erteilung von Rechtsberatung durch Inkassodienstleister. Worum geht es und welche Entwicklungen deuten sich an?

Gewinnabschöpfung durch gewerbliche Prozessfinanzierer

Den ersten der drei Fälle hat der Bundesgerichtshof bereits im September 2018 entschieden. Es ging dabei um eine Gewinnabschöpfungsklage nach § 10 UWG. Ein Verbraucherverband verklagte ein Telekommunikationsunternehmen auf Herausgabe von unzulässig erzielten Gewinnen an den Bundeshaushalt. Dazu muss man wissen: Die Gewinnabschöpfung gilt bei Juristen häufig als gut gemeint, aber wenig praxistauglich. Sie möchte Anreize zum Rechtsbruch minimieren, ist aber stets mit hohen Klagerisiken behaftet, weil sie den Streitwert einer Klage nach oben treibt und der Nachweis der Kausalität bei rechtswidrig erzielten Gewinnen schwierig zu führen ist. Zudem fließen die abgeschöpften Gewinne im Erfolgsfall nicht der Klägerin, sondern dem Bundeshaushalt zu. Verbraucherverbände mit ihrem traditionell schmalen Prozessbudget waren daher regelmäßig sehr zurückhaltend mit der Geltendmachung der Gewinnabschöpfung. Abhilfe versprach nun eine innovative Finanzierungsstruktur: Ein externer Prozessfinanzierer übernimmt dabei das Klagerisiko gegen eine prozentuale Beteiligung am abgeschöpften Gewinn. Dem schob der BGH in seinem Urteil vom 13. September 2018 (Az. I ZR 26/17, Volltext, bestätigt durch BGH Urteil vom 9. Mai 2019, Az. I ZR 205/17, Volltext) nun einen Riegel vor: Es verstoße gegen § 242 BGB und widerspreche dem Zweck des § 10 UWG, wenn sich die Klägerin aus monetären Überlegungen zur Klage entscheide. Genau diese wirtschaftliche Betrachtung finde aber statt, sobald ein Prozessfinanzierer beteiligt werde. Bei dieser Argumentation beruft sich der BGH auf die Erwägungen des Gesetzgebers des UWG (BT-Drucks. 15/1487, pdf, S. 25, 35, 43). Der Haken daran: Der Gesetzgeber wollte zwar nicht, dass Verbände aus eigenem kommerziellen Interesse klagen, zur gewinnorientierten Beteiligung Dritter hat er sich aber nicht geäußert. Fraglich erscheint demgegenüber, ob dem Prozessfinanzierer ein Teil der abgeschöpften Gewinne zufließen darf, wo § 10 UWG doch vorsieht, dass diese zur Gänze an den Bundeshaushalt fließen sollen.

Voraussetzungen für die institutionelle Klagebefugnis

Der zweite bemerkenswerte Fall zur institutionellen Durchsetzung von Verbraucherrechten betrifft die Anforderungen an die Klagebefugnis Verbände nach § 4 UKlaG bzw. § 3 UmwRG. Konkret geht es um die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), die seit einiger Zeit wegen ihrer Abmahnpraxis insbesondere von Seiten der Automobilindustrie in der Kritik steht. Im Fall des BGH (Az. I ZR 149/18) geht es vor allem um die Frage, ob sich aus der Verwendung der erheblichen Gewinne der DUH womöglich ein Rechtsmissbrauch für die von der DUH betriebenen Fälle ergibt. Nach den Äußerungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 25. April 2019 ist zu erwarten, dass der BGH diese Frage verneinen wird. Gleichzeitig könnte er aber die Mindestanforderungen präzisieren, die eine Einrichtung einhalten muss, um die verbandliche Klagebefugnis zu erlangen oder zu erhalten. Das Urteil des BGH wird am 4. Juli 2019 ergehen.

Update: Der BGH hat in seinem Urteil erwartungsgemäß einen Rechtsmissbrauch der Deutschen Umwelthilfe verneint (Urteil v. 4. Juli 2019, I ZR 149/18, Volltext). Siehe dazu auch die ausführliche Urteilsbesprechung von Elisabeth Krausbeck auf Legal Tribune Online.

Rechtsberatung durch moderne Inkassodienstleister

Der dritte dem BGH vorliegende Fall betrifft die teilautomatische Prüfung und Durchsetzung von Verbraucherrechten durch sogenannte Legal-Tech-Dienstleister. Diese Dienstleister operieren seit vielen Jahren nahezu ungestört auf der Grundlage einer Inkassoerlaubnis nach § 2 Abs. 2 RDG. Sie nutzen damit eine gesetzliche Ausnahme von dem Grundsatz, dass Rechtsberatung der Anwaltschaft vorbehalten ist. Während insbesondere Unternehmen, die sich auf die Durchsetzung von Fluggastrechten spezialisiert haben, bereits seit langer Zeit auf diesem Pfad unterwegs sind, sieht sich nunmehr ein auf Mieterrechte spezialisierter Anbieter mit dem Vorwurf konfrontiert, er gehe weit über die typische Tätigkeit eines Inkassodienstleisters hinaus. In der Tat nehmen die Online-Dienstleister heute nicht nur Rahmendaten eines Falls über interaktive Formulare auf, sondern geben automatisch erste Einschätzungen über die Erfolgsaussichten ab und schaffen sogar teilweise erst bestimmte Anspruchsvoraussetzungen, indem sie bestimmte Erklärungen für die Rechtsuchenden abgeben. Gleichwohl sehen sich die Legal-Tech-Dienstleister im Einklang mit ihrer Inkassoerlaubnis. Dazu berufen sie sich insbesondere auf das Bundesverfassungsgericht, das 2002 noch unter Geltung des Rechtsberatungsgesetzes darauf hingewiesen hatte, dass die Berufsfreiheit der Inkassodienstleister diese zu einer sehr weitgehenden Rechtsberatung berechtige (BVerfG v. 20. Februar 2002, 1 BvR 423/1999, Volltext). Der BGH hat die mündliche Verhandlung zu diesem Fall (Az. VIII ZR 285/18) für den 16. Oktober 2019 terminiert. Denkbar ist dabei auch, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich aktiv wird und dem Rechtsdienstleistungsrecht elf Jahre nach Inkrafttreten des RDG erneut ein Update verpasst.